Die derzeit beeindruckendsten Leistungen in der KI-Innovation beruhen auf erheblichen Ressourcen. Große Technologiekonzerne, die sogenannten Big Techs, haben sich seit Langem erhebliche Vorteile in Bezug auf die Verfügbarkeit von Datenmengen, Rechenkapazitäten und Cloud-Infrastruktur gesichert. Zugleich sind KI-Start-ups bestrebt, innovative Konzepte und Ansätze zu realisieren und bahnbrechende KI-Modelle zu entwickeln. Das Abhängigkeitsmuster ist erkennbar – lassen sich die damit verbundenen Fallstricke vermeiden?
Kontrollproblematik
Selbst wenn Wettbewerbsbehörden Zugang zu den KI-Vereinbarungen erhalten, bleiben deren Bedingungen der breiten Öffentlichkeit größtenteils unbekannt. Weitgehend bekannt ist aber, dass Big Techs oft kritische Ressourcen wie Rechenleistung, Daten oder finanzielle Mittel zur Verfügung stellen. Die Gefahr besteht, dass sie im Gegenzug Bedingungen durchsetzen, die sowohl die freie Wahl der Lizenzierung als auch – allgemeiner – die Innovationsmodelle der KI-Entwickler einschränken. Von besonderer Bedeutung ist, wie die aus diesen strategischen Partnerschaften entstehenden KI-Modelle verbreitet bzw. sowohl nachfolgenden Innovatoren als auch der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden.
Die Open-Source-Lizenzierung von KI-Modellen ist seit einiger Zeit Gegenstand kontroverser Diskussionen. Einige sehen darin ein ideales Mittel zur Förderung von Innovation und Wettbewerb. Andere haben sie eher als Ablenkungsmanöver von Unternehmen betrachtet, um die eigene Position innerhalb des KI-Ökosystems zu stärken. Allerdings kann „Offenheit“ von Modellizenzen nicht automatisch und pauschal mit mehr Innovation gleichgesetzt werden. Zum einen kann Offenheit je nach Grad und Art des zugänglich gemachten Gegenstands variieren. Zum anderen kann die Offenheit von KI-Modellen unterschiedliche, teils gegensätzliche Implikationen für Innovation haben und lässt sich daher normativ nicht eindeutig bewerten; in manchen Fällen kann die Kontrolle über bestimmte Ressourcen vielmehr als legitimer Wettbewerbsvorteil gerechtfertigt sein.
Innovationswettbewerb als Entdeckungsprozess
Die traditionellen wettbewerbsrechtlichen Ansätze stoßen hier an ihre Grenzen. Zum einen ist häufig unklar, mit welcher Schadenstheorie – wenn überhaupt – sich wettbewerbliche Bedenken erfassen lassen; zum anderen ist oft ungewiss, welche Auswirkungen bestimmte Wettbewerbsstrategien in diesem dynamischen Umfeld tatsächlich auf Wettbewerb und Innovation haben. Es geht dabei nicht nur darum, einmal etablierte Monopole zu verhindern, sondern vor allem darum, Rahmenbedingungen zu schaffen, unter denen Unternehmen frei und kreativ neue Wege in der KI-Innovation einschlagen können
Die jüngsten Fälle, etwa die Partnerschaften zwischen Microsoft und OpenAI sowie zwischen Microsoft und Mistral AI, zeigen, dass die traditionellen Instrumente des Wettbewerbsrechts nicht ausreichen, um die spezifischen Risiken dieser digitalen Allianzen zu bewältigen. Gefordert ist daher ein differenzierter Analyseansatz, der gezielt auf die Bedenken hinsichtlich der Abhängigkeiten zwischen Big Tech und KI-Entwicklern eingeht. Ein vielversprechender Rahmen besteht darin, die wettbewerbsrechtliche Analyse auf dem Konzept des Innovationswettbewerbs als Entdeckungsprozess aufzubauen. Dabei gilt es vor allem, die Freiheit der KI-Entwickler zu wahren, ihre Lizenzierungsmodelle selbst zu wählen und unabhängige Innovationsstrategien ohne unangemessene Einschränkungen durch Kooperationsvereinbarungen verfolgen zu können.
Über die Anwendung des Innovationswettbewerbs als Entdeckungsprozess als leitendes Konzept der Wettbewerbsrechtsdurchsetzung hinaus, kämen zudem eine Reform des Digital Markets Act und sogar die Einführung eines neuen wettbewerbsrechtlichen Instruments in Betracht, um Wahlfreiheit und Zugang in digitalen Märkten in diesem Kontext zu fördern.
Zum Paper auf SSRN:
Josef Drexl, Daria Kim
AI Innovation Competition as a Discovery Procedure: The Role and Limits of Competition Law