Artificial Intelligence and Intellectual Property Law
Stellungnahme des Max-Planck-Instituts für Innovation und Wettbewerb vom 9. April 2021 zur aktuellen Debatte
Finde Deinen akademischen Doppelgänger! Wie man Kontrollgruppen von Forschenden mit Hilfe von Sosia ermittelt
Ökonometrische Analysen in der Wissenschafts- und Innovationsökonomie erfordern häufig Kontrollgruppen. Die Ermittlung solcher Vergleichsgruppen verlangt jedoch oft einen gewaltigen Datenaufwand. Das Python-Paket sosia vereinfacht und automatisiert die Suche in der Scopus-Datenbank.
Ökonometrische Analysen in der Wissenschafts- und Innovationsökonomie erfordern häufig Kontrollgruppen. Diese Kontrollgruppen müssen ähnliche beobachtbare Merkmale aufweisen wie eine bestimmte Gruppe von Forschenden, die von Interesse sind. Es gibt spezielle Methoden und Werkzeuge, die beim Abgleich helfen können. Die Ermittlung solcher Vergleichsgruppen erfordert jedoch oft einen gewaltigen Datenaufwand, der bei Gruppen, die sich über mehrere Bereiche, Institutionen oder Länder erstrecken, unüberwindbar werden kann. Das Python-Paket sosia – italienisch für Doppelgänger – soll die Suche nach vergleichbaren Forschenden in der Scopus-Datenbank vereinfachen und automatisieren.
Direkt zur Publikation von
Michael E. Rose und Stefano H. Baruffaldi
Finding Doppelgängers in Scopus: How to Build Scientists Control Groups Using Sosia
Max Planck Institute for Innovation & Competition Research Paper No. 20-20
International Law Association verabschiedet “Kyoto Guidelines”
Eine Forschungsgruppe der International Law Association (ILA) hat unter Mitwirkung von Max-Planck-Forschern umfassende Guidelines für das Zusammenspiel von geistigem Eigentum und internationalem Privatrecht erarbeitet. Mit den “Kyoto Guidelines” liegt erstmals ein Modellgesetz vor, das von Fachleuten aus der ganzen Welt gemeinsam entwickelt wurde.
Trotz zunehmender internationaler und europäischer Harmonisierung unterliegt die Ausgestaltung der IP-Schutzsysteme nach wie vor dem Recht einzelner Staaten. Das international anerkannte Territorialitätsprinzip beschränkt den Anwendungsbereich des Rechts grundsätzlich auf das Territorium des rechtsetzenden Staates. Dies gilt auch für Fälle, in denen es um Fragen des geistigen Eigentums geht.
Die zunehmende Verflechtung der Weltwirtschaft und die potentiell globale Wirkung, die selbst einfachste Handlungen durch das Internet entfalten können, stellen die bestehenden kollisionsrechtlichen Systeme bereits seit Längerem in Frage. Diese Situation hat insbesondere zu Beginn des Jahrtausends namhafte wissenschaftliche Initiativen hervorgebracht, die es sich zum Ziel setzten, angemessene Lösungskonzepte zu entwickeln und eine internationale Angleichung der Systeme zu erreichen. So wurden unter der Leitung des heutigen Max-Planck-Instituts für Innovation und Wettbewerb und des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht die “CLIP Principles for Conflict of Laws in Intellectual Property” (2011) entwickelt, die weltweite Resonanz erfahren haben.
Obwohl all jene Projekte von Beginn an auf internationale Kollaboration setzten, blieben sie regionalen Denkansätzen verbunden (USA, Europa, Asien) und kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Ein Unterschied lag etwa im Umgang mit der besonders kontroversen Frage der originären Rechtsinhaberschaft. Schließlich beinhaltet keines der Projekte umfassende Lösungsansätze für alle Fragen des geistigen Eigentums.
Internationale Forschungsgruppe entwickelt umfassende Guidelines
Um diese Lücken zu füllen, gründete die International Law Association im Jahr 2010 das “Committee on Intellectual Property and Private International Law”. Im Rahmen der Forschungsgruppe, der mit Josef Drexl auch der Geschäftsführende Direktor des Instituts angehört, entwickelten etwa 30 Expertinnen und Experten aus aller Welt die sogenannten Kyoto Guidelines. Das Regelwerk wurde bei der 79. Biennale der ILA im Dezember 2020 verabschiedet und umfasst 35 Mustervorschriften. Gegenstand der Guidelines sind neben Fragen des anwendbaren materiellen Rechts auch die internationale Zuständigkeit der Gerichte sowie die Rechtsdurchsetzung. Die Guidelines erfassen nicht nur klassische Immaterialgüterrechte wie das Urheber-, Patent- und Markenrecht, sondern erstrecken sich auch auf verwandte Bereiche, wie das Lauterkeitsrecht und den Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Der finale Text ist in vier Abschnitte untergliedert: Allgemeine Bestimmungen (Guidelines 1-2), Gerichtsbarkeit (3-18), Anzuwendendes Recht (19-31) sowie Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen (32-35).
Ziel der Kyoto Guidelines ist es, nationalen Gesetzgebern konkrete Vorschläge zur Ausgestaltung ihres Kollisionsrechts in Fragen des geistigen Eigentums zu unterbreiten, um langfristig ein inhaltlich ausgewogenes und international abgestimmtes System zu erreichen. Die Guidelines können bereits jetzt von der Rechtsprechung als Interpretationshilfen herangezogen werden, wenn ihr nationales System hierfür offen ist. Neben bekannten und bereits vielfach diskutierten Fragen an der Schnittstelle von geistigem Eigentum und internationalem Privatrecht wie der Bestimmung der originären Rechtsinhaberschaft sowie einer parallelen Rechtsverletzung in einer Vielzahl von Staaten, greifen die Guidelines auch neue Phänomene, wie die grenzübergreifende kollektive Rechtewahrnehmung, auf.
Kollisionsrecht für Verwertungsgesellschaften
Obwohl die grenzübergreifende Tätigkeit von Verwertungsgesellschaften zunehmend an Bedeutung gewinnt, wurde die Frage nach einem Kollisionsrecht für Verwertungsgesellschaften bislang kaum diskutiert. Allein das Institut wies im Jahr 2015 im Zuge der Umsetzung der EU-Richtlinie über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten (Richtlinie 2014/26/EU) auf ungelöste Probleme des internationalen Privatrechts hin und entwickelte damals Prinzipien, die nun Eingang in die Kyoto Guidelines fanden.
Die Kyoto Guidelines wurden Ende vergangenen Jahres von der ILA angenommen. Der 5. Ausschussbericht des Komitees enthält bereits grundlegende Erläuterungen zum besseren Verständnis der einzelnen Vorschläge, die frei zugänglich sind. Die Veröffentlichung der Guidelines mit einer ausführlichen Kommentierung in Buchform soll noch im laufenden Jahr erfolgen.
Den Originaltext der Kyoto Guidelines finden Sie hier.
Stellungnahme zum Entwurf eines zweiten Open-Data-Gesetzes und eines Datennutzungsgesetzes (DNG)
Die Stellungnahme von Heiko Richter begrüßt die hohen Ambitionen des Gesetzgebungsvorhabens, kritisiert jedoch, dass der Entwurf diesen nur eingeschränkt gerecht wird, da er über die Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1024 kaum hinausgeht und § 12a EGovG hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt. Für den weiteren Gesetzgebungsprozess unterbreitet die Stellungnahme darüber hinaus konkrete Verbesserungsvorschläge.
Erlaubte Nutzungen im Urheberrecht: Forschungsteam entwickelt “International Instrument”
Mit dem “International Instrument on Permitted Uses in Copyright Law” hat eine Gruppe renommierter Urheberrechtsexperten ein Regelwerk entwickelt, das den Interessenausgleich im Urheberrecht fördern soll. Koordiniert wurde das Projekt, das auf ein neues, internationales Urheberrechtsabkommen abzielt, vom Institut.
Mit dem Ziel, auf internationaler Ebene ein ausgewogeneres System hinsichtlich des Schutzumfangs des Urheberrechts zu schaffen, entwickelte eine vom Institut koordinierte wissenschaftliche Initiative das “International Instrument on Permitted Uses in Copyright Law”. Das Projekt, das 20 international anerkannte Spezialisten für Urheberrecht aus verschiedenen Ländern zusammenbrachte, wurde von einigen der Mitglieder einer Expertengruppe ins Leben gerufen, die bereits an der 2008 fertiggestellten “Declaration for a balanced Interpretation of the Three-Step Test in Copyright Law” gearbeitet hatte. Die Erklärung zeigt anhand von abstrakten Auslegungsrichtlinien auf, wie der Drei-Stufen-Test flexibel angewendet werden kann, um berechtigten Nutzerinteressen Rechnung zu tragen.
Das Instrument geht einen Schritt weiter als die Erklärung. Statt sich auf Empfehlungen zu beschränken, enthält es konkrete Bestimmungen für einen internationalen Vertrag, der einen Kern „minimal erlaubter Nutzungen“ (“minimum permitted uses”) von Werken festlegt. Durch die Unterzeichnung eines solchen Vertrages sollen sich zukünftige Vertragsparteien verpflichten, die minimal zu erlaubenden Nutzungen in ihr nationales Recht umzusetzen.
Mit diesem Ansatz, der minimal erlaubte Nutzungen in den Mittelpunkt stellt, möchte das Instrument ein Gegengewicht zum traditionellen „Mindestschutzansatz“ bilden, der im heutigen internationalen Urheberrecht üblich ist. Das Instrument soll den Vertragsparteien einen Hebel an die Hand geben, mit dem sie jenem politischen Druck begegnen können, dem sie in internationalen Verhandlungen, insbesondere von bilateralen und regionalen Abkommen, oft ausgesetzt sind. Wenn es einmal in Kraft getreten ist, könnte ein entsprechendes Instrument die Kooperation zwischen Staaten vereinfachen und sie dabei unterstützen, ihre gemeinsamen Interessen auf Augenhöhe gegenüber Staaten zu behaupten, die in internationalen Verhandlungen höhere Schutzstandards durchsetzen möchten. Das Instrument in nationales Recht umzusetzen, könnte zudem eine Harmonisierung in Bezug auf die Grenzen des Urheberrechtsschutzes fördern.
Das International Instrument besteht aus drei Teilen. In Teil A werden fünf Gruppen erlaubter Nutzungen beschrieben, die jeweils auf den Zielen der einzelnen Gruppen aufbauen: I. Meinungs- und Informationsfreiheit; II. Soziale, politische und kulturelle Ziele; III. Nutzung von Software; IV. Geringfügige Nutzungen und V. Freie Verbreitung. Teil B definiert allgemeine Grundsätze, die den Vertragsparteien als Leitfaden für die Umsetzung der erlaubten Nutzungen in ihren nationalen Rechtsordnungen dienen sollen. Vertragsparteien sind verpflichtet, die erlaubten Nutzungen, die das Instrument vorsieht, umzusetzen, können aber die Umsetzungsmethode frei wählen: sie können die erlaubten Nutzungen explizit aufzählen, Generalklauseln entwerfen oder sie auf “Fair Use”- oder “Fair Dealing”-Prinzipien aufbauen. Darüber hinaus steht es den Vertragsparteien frei, weitere Nutzungen urheberrechtlich geschützter Werke zu erlauben, wenn die nationalen Bedürfnisse eine entsprechende gesetzliche Regelung notwendig machen. In Teil C geht es um das Wettbewerbsrecht als externe Beschränkung des Urheberrechts; aufgebaut wird dabei auf dem zeitgemäßen Verständnis, dass Wettbewerbsrecht und Urheberrecht komplementäre Rechtsfelder sind, die beide das Ziel verfolgen, das Angebot kreativer Werke auf dem Markt zu erhöhen.
Den Originaltext des International Instrument finden Sie hier:
International Instrument on Permitted Uses in Copyright Law
Einen Artikel von Reto M. Hilty und Valentina Moscon zum International Instrument finden Sie im kürzlich erschienen Buch The Cambridge Handbook of Copyright Limitations and Exceptions.
Die aktuelle Ausgabe der IIC widmet sich in ihrem Editorial ebenfalls dem International Instrument.
Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes
Die Stellungnahme bezieht sich auf die durch die RL 2019/2161/EU bedingten Änderungen des deutschen Lauterkeitsrechts (UWG). Obwohl diese den Ansatz des UWG unterminieren (Schadensersatzanspruch des individuellen Verbrauchers), ist - nachdem eine Einflussnahme im Vorfeld offenbar unmöglich war - der weitgehenden 1:1 Umsetzung des RefE zuzustimmen. Vorgeschlagen wird jedoch, die Öffnungsklauseln der Richtlinie extensiver zu nutzen und auf nicht durch diese bedingte Vorgaben, etwa zum Influencer-Marketing, zu verzichten.
Stellungnahme zur Reform des Urheberrechts: Haftung für Online-Diensteanbieter
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat einen Referentenentwurf zur Umsetzung der neuen Richtlinie zum Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt in nationales Recht vorgelegt. In seiner Stellungnahme gibt das Institut Anregungen zur Ausgestaltung des geplanten Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetzes.
Die umstrittene Richtlinie 2019/790 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt sorgte im Vorfeld ihrer Verabschiedung insbesondere in Deutschland für heftige Proteste. Stark kritisiert wurde vor allem ihr heutiger Artikel 17 zur Verantwortlichkeit der Diensteanbieter von Online-Inhalten. Im Zusammenhang mit der Abstimmung des Europäischen Rates am 15. April 2019 sah sich die Bundesregierung deswegen veranlasst, eine Protokollerklärung abzugeben, dass bei der nationalen Umsetzung der Richtlinie auf den Einsatz der umstrittenen Upload-Filter weitgehend verzichtet werden solle.
Bis zum 7. Juni 2021 müssen die Mitgliedstaaten diese EU-Richtlinie nun in nationales Recht umsetzen. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat dazu im Oktober 2020 den Referentenentwurf für ein „Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes“ vorgelegt, der mit anderen Ministerien allerdings noch nicht abgestimmt ist. Mit Spannung erwartet wurde allem voran, wie die Protokollerklärung der Bundesregierung nun konkret verwirklicht werden kann.
Neues Gesetz geplant
Die urheberrechtliche Verantwortlichkeit von Diensteanbietern soll in Deutschland künftig durch ein eigenständiges Gesetz, das Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG), geregelt werden. Demnach sind Diensteanbieter – wie von der Richtlinie verlangt – für die von ihren Nutzern hochgeladenen Inhalte zwar grundsätzlich verantwortlich; von ihrer Haftung können sie sich durch die Einhaltung konkret geregelter Sorgfaltspflichten jedoch befreien. Das UrhDaG soll konkretisieren, worin diese Pflichten liegen.
Das Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb begleitete die Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Zeitalters bereits im Hinblick auf die EU-Richtlinie. Eine Projektgruppe nahm damals zu den Entwürfen der EU-Kommission detailliert Stellung. Auch zu dem vorliegenden Referentenentwurf hat sich das Institut nun im Rahmen einer Stellungnahme geäußert, wobei der Fokus auf dem UrhDaG liegt.
Grundsätzlich begrüßt die sechsköpfige Projektgruppe die Schaffung des UrhDaG. Der Entwurf beschreite „mit innovativen Vorschlägen einen Weg, der grundsätzlich geeignet ist, den notwendigen urheberrechtlichen Interessenausgleich bei der Verbreitung urheberrechtlicher Inhalte über Online-Plattformen herzustellen“, heißt es in der Stellungnahme. An einigen Stellen geben die Autorinnen und Autoren jedoch Anregungen für den weiteren Gesetzgebungsprozess, vor allem im Hinblick auf den geplanten Lizenzmechanismus (§ 4 UrhDaG-E), die Vergütungspflicht für gesetzlich erlaubte Nutzungen (§ 5 UrhDaG-E) und die Berücksichtigung von geringfügigen Nutzungen (§ 6 UrhDaG-E).
Die Vorschläge der Stellungnahme im Überblick
Positiv auf den Lizenzmarkt auswirken dürfte sich nach Ansicht der Projektgruppe § 4 UrhDaG-E. Es sei eine Regelung gelungen, die die Handlungsanforderungen von Diensteanbietern und Rechteinhabern bei der Lizenzierung sinnvoll ausgestalte. Die Stellungnahme regt jedoch einige Nachbesserungen und Konkretisierungen an, um im Falle der Lizenzierung durch individuelle Rechteinhaber Rechtsunsicherheiten zu vermeiden.
Die Projektgruppe begrüßt, dass der Referentenentwurf mit § 5 UrhDaG-E die Anwendbarkeit der urheberrechtlichen Schrankenbestimmungen für den Regelungsbereich des UrhDaG klarstellt, um damit möglichst viele Formen des „User Generated Content“ zu erfassen und online auf legale Weise zugänglich zu machen. Kritik äußert sie jedoch daran, dass Diensteanbieter ausschließlich für Werknutzungen zum Zweck des Pastiches einer Vergütungspflicht unterliegen sollen (§ 7 Abs. 2 UrhDaG-E). „Angesichts der Funktionslogik des UrhDaG-E und der besonderen Interessenlage zwischen Diensteanbietern, Rechteinhabern und Nutzern sowie zu erwartender Abgrenzungsprobleme sollten […] alle Nutzungen nach § 5 UrhDaG-E von den Diensteanbietern vergütet werden“, so die Stellungnahme.
Auch die geplante Erleichterung von geringfügigen Nutzungen nach § 6 UrhDaG-E begrüßt die Stellungnahme im Grundsatz. Da jedoch Zweifel an der Unionsrechtskonformität der konkreten Ausgestaltung bestehen, wird angeregt, die Zielsetzung durch eine andere gesetzestechnische Lösung umzusetzen. Hierfür macht die Projektgruppe konkrete Vorschläge.
Den Wortlaut der Stellungnahme des Instituts finden Sie hier
Ein E-Book zur Modernisierung des EU-Urheberrechts, herausgegeben von Reto M. Hilty und Valentina Mocson, finden Sie hier
Stellungnahme zum Referentenentwurf für ein Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz
In seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf für ein „Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes“ gibt das Institut insbesondere Anregungen für die Ausgestaltung des geplanten Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetzes (UrhDaG).
Evaluation des Münchner Verfahrens in Patentstreitsachen – Die Ergebnisse liegen vor
Das Landgericht München I ist eines von nur 12 für Patentsachen zuständigen deutschen Gerichten und neben Mannheim und Düsseldorf einer der drei besonders wichtigen Gerichtsstandorte. Wichtiger Faktor für den Patentstandort München ist seit zehn Jahren das Münchner Verfahren, das in einem Forschungsprojekt am Institut evaluiert wurde.
Mit Europäischem Patentamt (EPA), Bundespatentgericht (BPatG), Deutschem Patent- und Markenamt (DPMA), Einrichtungen des geplanten Europäischen Einheitlichen Patentgerichts (EPG), Patentanwaltskammer, zahlreichen Rechts- und Patentanwälten, Patentdienstleistern sowie vielen innovations- und patentstarken bayerischen Unternehmen gilt München als „Patenthauptstadt“ in Europa.
Das Landgericht München I ist eines von nur 12 deutschen Gerichten, die für Patentsachen, insbesondere Patentverletzungsfälle, zuständig sind. In der Regel hat der Kläger die Wahl, welches Gericht er anruft. Das Landgericht München I mit seinen zwei Patentstreitkammern gehört im Hinblick auf die Zahl der Verfahren mit Düsseldorf und Mannheim zu den drei wichtigsten Standorten für Patentstreitsachen in Deutschland. Ein wesentlicher Faktor für den Patentstandort München ist das Münchner Verfahren.
Das Verfahren
Das „Münchner Verfahren in Patentstreitsachen“ wurde im Jahr 2009 am Landgericht München I eingeführt. Es beruht auf einer Initiative aus der Anwaltschaft, die von den damaligen Vorsitzenden der Patentverletzungskammern am Landgericht München I aufgegriffen und umgesetzt wurde. Das Münchner Verfahren bietet eine Alternative zu den Verfahren vor anderen Patentgerichten und wird so nur von den hiesigen beiden Patentkammern praktiziert.
Das Verfahren sieht zwei Termine vor. Der frühe erste Termin soll der Abschichtung und der Möglichkeit dienen, mit einer vorläufigen ersten Einschätzung der Kammer gegebenenfalls Vergleichsgespräche zu führen. Hierfür bietet das Landgericht München I eine Patentmediation an, d.h. ein Güterichterverfahren vor einem in Patentsachen erfahrenen Richter. Außerdem ist das Münchner Verfahren durch ein strenges Fristenregime charakterisiert: Die Anzahl der Schriftsätze und Fristen werden im frühen ersten Termin abgesprochen und in der Regel auch eingehalten. Sachverständige hören die Patentverletzungskammern nur in seltenen, technisch besonders komplexen Fällen. Durch diese Maßnahmen können die Verfahren bei optimalem Verlauf trotz der häufig hohen technischen Komplexität in unter einem Jahr erstinstanzlich abgeschlossen werden.
Wissenschaftliche Evaluation durch Max-Planck-Forscher – Die Ergebnisse
Zehn Jahre nach seiner Einführung wurde das Verfahren nun evaluiert, um Hinweise für die zukünftige Gestaltung zu erhalten. Die wissenschaftliche Evaluation führte das Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb im Rahmen eines Forschungsprojektes durch. Für die Evaluation wurden Repräsentanten von Streitparteien mithilfe eines strukturierten Fragebogens befragt. Außerdem wurden systematisch Falldaten zur Länge und zum Ausgang von Streitverfahren erhoben. Die Ergebnisse wurden am Donnerstag, den 22. Oktober, im Justizpalast München in einer Online-Veranstaltung vorgestellt.
Insgesamt knapp 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der Richter- und (Patent-)Anwaltschaft sowie Vertreterinnen und Vertreter von Fachpresse und Medien hatten die Gelegenheit, mit Dr. Thomas Ermer, Ministerialdirigent des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz, der Präsidentin des Landgerichts Dr. Andrea Schmidt, sowie Prof. Dietmar Harhoff, Ph.D., Direktor am Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb, und Dr. Sabine Rojahn, Rechtsanwältin im Bereich Patentrecht aus München, über die Ergebnisse der Evaluation sowie Möglichkeiten zur Weiterentwicklung des Münchner Verfahrens zu diskutieren.
„Die Beteiligung an unserer Befragung war ausgesprochen gut. Die Befragten wissen zu würdigen, dass mit dieser Befragung Anregungen aus der Anwaltschaft für die Weiterentwicklung des Münchner Verfahrens gewonnen werden“, berichtet Dietmar Harhoff.
Die Gesamtschau der Antworten der Befragungsteilnehmer zum Münchner Verfahren in Patentstreitsachen zeigt, dass das Verfahren mit seinem frühen ersten Termin, also zwei echten, inhaltlichen Terminen in kurzem Zeitrahmen, als herausragender Vorteil des Standortes München gesehen wird. Fast 80 Prozent der Befragten vertreten die Auffassung, dass die Einführung des Münchner Verfahrens die Attraktivität Münchens als Standort für Patentstreitverfahren beträchtlich gesteigert hat.
Dietmar Harhoff betont: „Anwälte schätzen in Patentstreitsachen vor allem Vorhersehbarkeit und qualitativ gut begründete Entscheidungen. Entsprechend empfehlen sie für die Weiterentwicklung des Standorts München vor allem Kontinuität bei der Besetzung der Kammern und eine stärkere Spezialisierung der Richter auf Patentrecht. Entsprechende Maßnahmen könnten die Attraktivität des Standorts weiter erhöhen.“
Die Befragung zeigte auch Ansätze für eine Weiterentwicklung der sogenannten Hinweise zum Münchner Verfahren auf, welche die beiden Kammern für Patentrecht prüfen und ggf. mit einer Aktualisierung dieser Hinweise umsetzen wollen.
Staatsminister Georg Eisenreich erklärte: „Die Patentstreitkammern sind eine wichtige Säule des Patentstandorts München. Neben unseren vielen innovations- und patentstarken Unternehmen, dem Deutschen Patent- und Markenamt und dem Europäischen Patentamt sichern die Patentstreitkammern die Durchsetzung gewerblicher Schutzrechte. Die Evaluation hat das bestätigt.“
Ein ausführlicher Bericht zu den Evaluationsergebnissen wird bis Ende des Jahres vorgelegt.
Ergänzende Informationen:
Pressemitteilung des Landgerichts München I zu den Ergebnissen der Evalution (22.10.2020)
Pressemitteilung des Landgerichts München I zur Neugründung einer Kammer für Urheberrecht (01.10.2020)
Interview mit Dr. Andrea Schmidt, Präsidentin des Landgerichts München I, bei JUVE-Patent (in Englisch)
Künstliche Intelligenz identifizieren und messen – Das Unmögliche möglich machen
Forscher und Forscherinnen des Instituts und der OECD haben eine neue Studie dazu publiziert, wie sich mit KI einhergehende Entwicklungen in Wissenschaft, Algorithmen und Technologien identifizieren und messen lassen. Anhand von Informationen aus wissenschaftlichen Publikationen, Archiven für Open-Source-Software (OSS) und Patenten stellen sie fest, dass KI-bezogene Entwicklungen in den letzten Jahren deutlich zugenommen haben. China spielt im Bereich KI eine zunehmend wichtige Rolle.
Künstliche Intelligenz (KI) ist ein Begriff, der gemeinhin zur Beschreibung von Maschinen und Software verwendet wird, die menschenähnliche kognitive Funktionen ausführen (z.B. Lernen, Verstehen, Schlussfolgern und Interagieren). Von KI werden weitreichende wirtschaftliche Auswirkungen erwartet, hat sie doch das Potenzial, die Bereiche Produktion und Dienstleistung zu revolutionieren, das Verhalten von Wirtschaftsakteuren zu beeinflussen und Volkswirtschaften und Gesellschaften zu transformieren.
Das enorme Leistungsvermögen dieser inzwischen als Allzwecktechnologie geltenden Verfahren hat die OECD-Länder und G20-Staaten dazu veranlasst, sich auf Schlüsselprinzipien zu verständigen, die die Entwicklung einer ethischen und vertrauenswürdigen KI fördern sollen. Die praktische Umsetzung derartiger Prinzipien erfordert jedoch ein einheitliches Verständnis dessen, was KI ist und woraus sie besteht, sowohl im Hinblick auf wissenschaftliche und technologische Entwicklungen als auch auf mögliche Anwendungen.
Um den Herausforderungen begegnen zu können, die mit der Eingrenzung einer so komplexen Thematik verbunden sind, schlägt die Studie eine operationelle Definition von KI vor, die auf der Identifizierung und Messung von Entwicklungen in Wissenschaft, Algorithmen und Technologien basiert, die mit KI einhergehen. Die Analyse stützt sich dazu auf Informationen, die in wissenschaftlichen Veröffentlichungen, Open-Source-Software und Patenten enthalten sind.
Wissenschaftlicher Ansatz der Studie
Der dreigleisige Ansatz der Studie setzt auf einer Auswahl etablierter bibliometrischer und patentbasierter Methoden auf und wird durch ein experimentelles Verfahren maschinellen Lernens (ML) ergänzt, das auf eigens dafür gesammelten Open-Source-Software-Daten basiert:
- Die Identifizierung von hinter KI-Entwicklungen stehender Wissenschaft baut auf einem zweistufigen bibliometrischen Ansatz auf, bei dem eine erste Gruppe von KI-relevanten Schlüsselwörtern aus wissenschaftlichen Publikationen extrahiert wird, die in der Scopus®-Datenbank des Wissenschaftsverlags Elsevier unter KI klassifiziert sind. Das Ergebnis wird dann durch Text-Mining-Verfahren und Expertenvalidierungen ergänzt und verfeinert.
- Da KI letztlich in Form von Algorithmen implementiert wird, verwenden die Autorinnen und Autoren Informationen über sogenannte Software-Commits (d.h. Beiträge), die auf GitHub (einer Hosting-Plattform) veröffentlicht werden, um KI-bezogene Software-Entwicklungen und ‑anwendungen zu verfolgen. Solche Daten werden mit Informationen aus wissenschaftlichen Publikationen kombiniert, die auf wichtigen KI-Konferenzen präsentiert werden, um zentrale KI-Repositorien zu identifizieren. Maschinelle Lernverfahren, die anhand von Informationen für den so identifizierten Kernsatz trainiert werden, lassen sich zur Untersuchung sämtlicher Software-Beiträge in GitHub eingesetzen, um alle KI-bezogenen Repositorien zu erkennen.
- In Patentdaten enthaltene Informationen dienen der Identifizierung und Abbildung KI-bezogener Erfindungen und neuer technologischer Entwicklungen, in die KI-bezogene Komponenten eingebettet sind.
Ausgewählte Ergebnisse der Studie
- Die Autorinnen und Autoren stellen eine beschleunigte Zunahme der Zahl von Veröffentlichungen im Bereich KI zu Beginn des Jahrtausends fest, gefolgt von einem stetigen Wachstum von durchschnittlich 10% pro Jahr bis 2015, vor einer erneuten Erhöhung der Zahl von Publikationen mit einem Anstieg von 23% pro Jahr. Der Anteil der KI-bezogenen Publikationen an den Gesamtpublikationen stieg bis 2018 auf über 2,2% aller Publikationen an.
- 28% der in den Jahren 2016 bis 2018 weltweit veröffentlichten KI-bezogenen wissenschaftlichen Publikationen stammen von Autorinnen und Autoren mit Affiliationen in China. Im Zeitverlauf ist der Anteil von KI-Publikationen, die aus den EU-28, den Vereinigten Staaten und Japan stammen, im Vergleich zum vor zehn Jahren beobachteten Niveau zurückgegangen.
- Seit 2014 ist die Zahl der Open-Source-Software-Repositorien mit KI-Bezug etwa dreimal so stark gewachsen wie die sonstiger Open-Source-Software.
- Nach 2015 ist ein deutlicher Anstieg des Anteils von KI-bezogenen Erfindungen an der Gesamtzahl von Erfindungen zu verzeichnen. Im Jahr 2017 betrug dieser Anteil mehr als 2,3%.
- “Neural networks/Neuronale Netzwerke” und “image processing/Bildverarbeitung” sind die am häufigsten gebrauchten Begriffe, die in Kurzbeschreibungen von Patenten mit KI-Bezug auftauchen.
- Bei KI-bezogenen Patenten hat sich der Beitrag von Erfindungen aus China seit Mitte der ersten Dekade dieses Jahrtausends mehr als versechsfacht und erreichte Mitte der zweiten Dekade fast 13%.
Mehr Ergebnisse und detaillierte Informationen in der Publikation:
Stefano Baruffaldi, Brigitte van Beuzekom, Hélène Dernis, Dietmar Harhoffi, Nandan Rao, David Rosenfeld, Mariagrazia Squicciarini (2020).
Identifying and Measuring Developments in Artificial Intelligence: Making the Impossible Possible.
OECD Science, Technology and Industry Working Papers No. 2020/05.
Stefano Baruffaldi ist Affiliated Research Fellow in der Abteilung Innovation and Entrepreneurship Research und Assistant Professor an der University of Bath.
Dietmar Harhoff ist Direktor am Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb.