Aktuelles aus der Forschung  |  05.05.2020

Modernisierung des Patentrechts: Neue Regeln für das digitale Zeitalter

Der patentrechtliche Unterlassungsanspruch soll künftig unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit stehen. Das Institut hat zu den Änderungsvorschlägen des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz in einer Stellungnahme Position bezogen.

Die Digitalisierung stellt den Patentschutz vor neue Herausforderungen. Insbesondere die Vielzahl an patentgeschützten Einzelkomponenten, die in manchen Produkten zum Einsatz kommen, machen es oft schwierig, alle relevanten Schutzrechte zu identifizieren und die nötigen Lizenzen zu erwerben.
 

Gut zehn Jahre nach der letzten Änderung des Patentgesetzes durch das (erste) „Gesetz zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts“ hat das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz Anfang des Jahres einen Diskussionsentwurf vorgelegt, der eine punktuelle Novellierung des Patentgesetzes vorsieht. Herzstück der Novelle ist die Flexibilisierung des in § 139 Abs. 1 PatG geregelten Unterlassungsanspruchs. Dieser räumt dem Patentinhaber das Recht ein, die Nutzung seines Patents durch Dritte zu untersagen. In der neuen Fassung soll der Paragraph um einen zusätzlichen Satz ergänzt werden, der klarstellt, dass die Durchsetzung eines patentrechtlichen Unterlassungsanspruchs im Einzelfall ausgeschlossen sein kann, wenn diese unverhältnismäßig wäre.
 

Anregungen des Instituts für den Gesetzgebungsprozess
 

In der Praxis dürften sich entsprechende Konstellationen vor allem bei „komplexen Produkten“ ergeben, die aus einer Vielzahl einzeln patentierter Komponenten bestehen, von denen jede einzelne nur geringfügig zum Wert des Endprodukts beiträgt. Der Inhaber eines solchen Patents kann dadurch eine Rechtsmacht erlangen, die nicht im Verhältnis zur Bedeutung seiner Erfindung für das Gesamtprodukt steht, denn er kann unter Umständen mit einer Unterlassungsklage die Produktion eines Produkts stoppen. Auch im Zusammenhang mit standardessentiellen Patenten (SEPs) oder mit sogenannten Patentverwertern, die selbst keine Produktionskapazität besitzen oder aufbauen möchten, können in der Praxis Situationen entstehen, die einen Unterlassungsanspruch in Einzelfällen als unverhältnismäßig erscheinen lassen.
 

Das Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb, das im März eine Stellungnahme zu dem Gesetzesentwurf abgegeben hat, begrüßt die vorgeschlagene Beschränkung des Unterlassungsanspruchs grundsätzlich. An einigen Stellen gibt das Institut jedoch Anregungen für den weiteren Gesetzgebungsprozess, zum Beispiel im Hinblick auf die für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit herangezogenen Kriterien. Der Diskussionsentwurf knüpft an den Grundsatz von Treu und Glauben an; in der Stellungnahme steht wiederum die „Hebelwirkung“ des Unterlassungsanspruchs im Vordergrund. Besorgt zeigen sich die Autoren insbesondere über die Priorisierung der Interessen des Patentinhabers gegenüber den Interessen anderer Parteien oder der Allgemeinheit. „Eine solche prinzipielle Vorrangigkeit ist weder rechtspolitisch vorgegeben noch ergibt sie sich aus dem Wesen des Patentrechts als Ausschließlichkeitsrecht“, so die Stellungnahme.
 

Kritik übt die Stellungnahme auch daran, dass der Diskussionsentwurf die Berücksichtigung von Drittinteressen und öffentlichen Interessen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung kategorisch ablehnt. Dem Argument des Bundesministeriums, Allgemeininteressen seien durch das Institut der Zwangslizenz nach § 24 PatG ausreichend und abschließend geschützt, widerspricht das Institut.


Den Wortlaut der Stellungnahme des Instituts finden Sie hier