Im europäischen Arzneimittelsektor findet infolge nicht-harmonisierter nationaler Preis- und Erstattungssysteme ein reger Parallelhandel statt. Pharmahersteller versuchen, diesen durch diverse Strategien zu beschränken. In der Vergangenheit haben EuGH und Kommission Beschränkungsversuche vor allem am Maßstab der Warenverkehrsfreiheit und des europarechtlichen Kartellverbots überprüft. Jüngst rückte nun die Missbrauchsaufsicht (Art. 102 AEUV) in den Mittelpunkt des Interesses von Kommission, EuGH und nationalen Wettbewerbsbehörden.
Das Forschungsprojekt setzt seinen Schwerpunkt in der Missbrauchsaufsicht. Es widmet sich primär der Frage, ob ein Pharmaunternehmen seine marktbeherrschende Stellung missbräuchlich ausnutzt, wenn es sich weigert, Arzneimittelgroßhändler in vollem Umfang zu beliefern, um die Exporttätigkeit dieser Großhändler einzuschränken. Die kartellrechtliche Analyse geht dabei insbesondere auf den hohen Grad staatlicher Regulierung im Arzneimittelsektor, die Frage nach einem per-se-Verbot, mögliche Effizienzvorteile und –nachteile für Patienten und Sozialversicherungsträger, sowie auf die vorrangige Ausrichtung der Kommission an der Konsumentenwohlfahrt ein. Das seitens der Pharmaindustrie vorgebrachte „Innovationsargument“ wird kritisch – auch unter Rückgriff auf ökonomische Analysen - überprüft. Besondere Relevanz kommt dabei den Querbezügen zu den Immaterialgüterrechten, insb. zum Patentrecht, zu. Die Problematik wird in Bezug auf den „more economic approach, den die Kommission im Zuge ihres „Modernisierungsprozesses“ für das europäische Wettbewerbsrecht verfolgt, diskutiert.
Untersucht werden zudem Notwendigkeit, Möglichkeiten und Konsequenzen eines ökonomischeren Ansatzes für den Grundsatz der gemeinschaftsweiten Erschöpfung (Art. 34, 36 AEUV) beim Parallelhandel mit Arzneimitteln. Dabei stellt sich insb. die Frage nach Erfordernis und Gebotenheit eines „ganzheitlichen Ansatzes“ für die Wettbewerbs- und Warenverkehrsvorschriften.