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Dissertation
Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht

Technische Funktionalität im europäischen Marken- und Designrecht

Technische Funktionalität wird in den positiven und negativen Schutzvoraussetzungen des europäischen Marken- und Designrechts reflektiert. Das Projekt untersucht die entsprechenden Vorschriften schutzrechtsübergreifend (horizontal).

Last Update: 09.04.20

Technische Funktionalität als außerrechtliches, tatsächliches Phänomen, d.h. die Beschaffenheit, zur praktischen Nutzbarkeit von naturwissenschaftlichen Erkenntnissen beizutragen, wird nicht nur von den klassischen Schutzausschlussgründen wegen technischer Bedingtheit reflektiert, sondern spielt auch bei der Bestimmung des Schutzumfangs im Designrecht (Gestaltungsfreiheit), der Schutzfähigkeit im Markenrecht (Unterscheidungskraft) oder dem einheitlichen europäischen Werkbegriff eine Rolle. Es stellt sich aus horizontaler Perspektive die Frage, ob die Ausschlussgründe wegen technischer Bedingtheit einheitlich auszulegen sind, ob also eine schutzrechtsübergreifende Meta-Norm mit allgemeiner Verbindlichkeit besteht. Ein Gleichlauf dieser Ausschlussgründe kann daneben möglicherweise auch induktiv festgestellt werden, das heißt als Ergebnis einer vergleichenden deskriptiven Untersuchung der Funktion im Kontext jedes einzelnen Schutzrechts. Dazu tritt die Frage, welche Funktion die anderen Normen haben, die Technische Funktionalität reflektieren, und in welchem Verhältnis diese zu den vorgenannten Ausschlussgründen stehen.

Das vorläufige Ergebnis der Untersuchung ist, dass die These eines einheitlichen Schutzausschlussgrundes sich weder deduktiv durch entsprechende Meta-Normen noch induktiv durch Übereinstimmungen der einzelnen Schutzrechte belegen lässt.

Als mögliche Meta-Norm für einen deduktiven Gleichlauf in Betracht kommt insbesondere ein Abgrenzungsbedürfnis zu den technischen Schutzrechten.

Die Abgrenzungsthese wird vor allem systematisch-teleologisch und folgenorientiert hergeleitet. Systematisch-teleologische Ansätze, die auf einem zu verhindernden Widerspruch in der Rechtsordnung abheben, können eine normative Wirkung nur entfalten, wenn das zugrunde gelegte systematische Verhältnis der untersuchten Regelungen überzeugend begründet wird. Nach der bisherigen Untersuchung handelt es sich dabei um ein nicht zwingendes und unzureichend begründetes Postulat. Als systematisch-teleologisches Argument kann es keine normative Wirkung entfalten. Es ist vielmehr ein politisches Argument.

Die vergleichende induktive Untersuchung zeigt erhebliche Unterschiede zwischen den Schutzrechten, insbesondere in Bezug auf die völkerrechtlichen Vorgaben. Während der Ausschlussgrund im Designrecht völkerrechtlich ausdrücklich zulässig ist, kann der markenrechtliche Ausschluss mit Blick auf die Vereinbarkeit mit den Eintragungsverpflichtungen aus Mindeststandards (TRIPS) bzw. Gegenseitigkeitsklausel (PVÜ) als Lackmus-Test für die Flexibilität der völkerrechtlichen Vorgaben herhalten.  Das stellt nicht nur die These infrage, dass sich die Auslegung bzw. de lege ferenda Gestaltung des Designrechts an dem „strengeren“ Maßstab des Markenrechts orientieren sollte, sondern wirft ein Schlaglicht auf die kaum hinterfragte Mindestschutzstandard-Prämisse völkerrechtlicher Regelungen des Immaterialgüterrechts. Darüber hinaus kann die seit dem 19. Jahrhundert geführte Diskussion um die Reichweite der Gegenseitigkeitsklausel im Lichte einer Weiterentwicklung völkerrechtlicher Auslegungsmethode kritisch beleuchtet und weiterentwickelt werden. Schließlich stellt sich die deduktive Frage nach einer Meta-Norm in abgeschwächter Form im Rahmen möglicher ordre public-Vorbehalte.

Persons

Doctoral Student

Tobias Endrich-Laimböck

Doctoral Supervisor

Prof. Dr. Ansgar Ohly, LL.M.

Main Areas of Research

I.3 Funktionswandel