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Weiteres Forschungsprojekt
Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht

TRIPS 94 plus 20 – Beyond Trade Rules

Am 15. April 1994 wurde in Marrakesch das TRIPS-Übereinkommen als Teil des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation unterzeichnet. Im Hinblick auf den 20. Jahrestag der Unterzeichnung des Übereinkommens hat das Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb im Sommer 2013 unter dem Arbeitstitel „TRIPS 94 plus 20 – Beyond Trade Rules“ ein Forschungsvorhaben für eine Buchveröffentlichung aufgelegt, mit der thematisch an frühere Auseinandersetzungen des Instituts mit dem TRIPS-Übereinkommen angeknüpft werden soll. Die Ergebnisse dieses Forschungsvorhabens werden im Herbst 2015 im Rahmen eines Jubiläumsbandes mit dem Titel „TRIPS plus 20 – From Trade Rules to Market Principles?“ veröffentlicht.

Last Update: 01.02.15

Das TRIPS-Übereinkommen will im Rahmen der wirtschaftlichen und rechtlichen Regelung der Welthandelsbeziehungen durch die WTO den internationalen Schutz der Rechte des geistigen Eigentums dadurch umfassend ordnen, dass alle Mitgliedstaaten zur Gewährleistung eines angemessenen Schutzes nach Maßgabe von Standards verpflichtet werden, die das Übereinkommen für jedes Schutzrecht und dessen Durchsetzung im Einzelnen festlegt. Die Bedingungen, unter

denen diese international handelsbezogene Schutzrechtsordnung ihre Wirkung entfalten soll, haben sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten indessen grundlegend geändert. In wirtschaftlicher Hinsicht haben sich die Märkte infolge der wirtschaftlichen Globalisierung staatenübergreifend erweitert, und die politischen und wettbewerblichen Gewichte zwischen den Staaten haben sich mit dem Aufkommen teilweise großer Schwellenländer verschoben. Zugleich haben sich

aufgrund des Fortschritts von Technologie, Transport und Kommunikation die Produktionsstandorte und -ketten sowie die Gegenstände und Formen des internationalen Leistungsaustauschs geändert; namentlich hat sich dieser selbst beschleunigt. Entsprechend haben sich die Bedürfnisse nach dem Schutz geistigen Eigentums gewandelt, aber auch ein Bedürfnis nach „Schutz vor Schutz“ hat sich in gewissen Konstellationen etabliert, in denen Schutzrechte funktionswidrige oder sonst konfliktträchtige Effekte entfalten.

Auch völkerrechtliche Entwicklungen – etwa der Schutz von Gemeinschaftsgütern und von Menschenrechten – haben zu Veränderungen geführt. Damit können Schutzinteressen mit anderen legitimen Interessenspositionen rivalisieren oder gar kollidieren. Spannungen kommen aber auch von der WTO selbst, die von 76 auf 160 Mitgliedstaaten gewachsenund – zum Teil dadurch bedingt – seit langem in eine tiefe institutionelle und strukturelle Krise geraten ist. Bilateral und regional abgeschlossene (Frei-)Handelsabkommen aller Art überlagern nicht nur das WTO-Welthandelsregime von GATT und GATS, sondern auch die Schutzrechtsordnung des TRIPS-Übereinkom-´mens (sog. „TRIPS-plus-Absprachen“ als Teil

solcher Übereinkommen). Dabei ist einerseits das TRIPS-Übereinkommen selbst – und namentlich seitens der Entwicklungs- und vieler Schwellenländer – heftig umstritten geblieben; andererseits ist es aber auch weiterentwickelt worden. Dies geschah zum kleineren Teil durch ausdrückliche Ergänzung; wesentlicher dafür waren jedoch die Umsetzungspraxis der Staaten, die Streitschlichtung durch die WTO und die beides begleitende, sehr reichhaltige und intensive wirtschafts- und rechtswissenschaftliche Auseinandersetzung.

Das Institutsvorhaben „TRIPS 94 plus 20 – Beyond Trade Rules“ will diese Veränderungen und Entwicklungen nicht im Einzelnen für das TRIPS-Übereinkommen nachzeichnen, sondern setzt vielmehr darauf auf. So wird von einer Reihe geänderter Ausgangspunkte aus gefragt, ob das Übereinkommen nicht nur einen auf einer Reziprozität von Konzessionen beruhender Teil der Handelsordnung darstellt, sondern ob und inwieweit es sich auch als allgemein akzeptierte (oder doch akzeptable) Rechtsordnung verstehen lässt, die in den jeweiligen Mitgliedstaaten zu einem funktionsgerechten Schutz geistigen Eigentums weiterentwickelt werden kann. Ins Auge gefasst wird also nicht eine politisch aussichtslose äußere Veränderung des TRIPS-Übereinkommens, sondern seine innere, interpretatorische Fortentwicklung.

Im Vordergrund stehen insoweit einerseits die Ausbalancierung von gegensätzlichen Interessen von Schutzrechtsinhabern und Dritten (Nutzern oder Wettbewerbern, die jeweils zugleich ihrerseits Schutzrechtsinhaber sein können), andererseits die Prüfung etwaiger Schutzverbesserungen und schließlich der Abgleich mit anderen privaten oder öffentlichen Schutzgütern, wozu auch die Vermeidung territorialer Fernwirkungen nationaler gehören kann. Da es bei einem solchen Projekt mit einer begrenzten Zahl von Mitwirkenden nicht möglich ist, alle insoweit relevanten Fragestellungen aufzugreifen, wurde auf die Behandlung bereits vielfach international erörterter Fragestellungen bewusst verzichtet. Das betrifft etwa die allgemeine Entwicklungsländerproblematik mit ihren vielfältigen Facetten oder an sich bedeutsame Spezialfragen wie den Zugang zu Arzneimitteln zu Preisen, die für die in den einzelnen Ländern unterschiedlich Betroffenen tragbar sind. Dennoch haben gegenwärtige und frühere Mitarbeiter des Instituts in insgesamt 24 individuellen Beiträgen eine Vielfalt von Problemen untersucht, die von Grundsatzfragen nach der „Handelsbezogenheit“ des Schutzes von Immaterialgüterrechten bis zur Prüfung der angemessenen Sanktionierung von Schutzrechtsverletzungen reichen. Diese Beiträge wurden von den Verfassern am 14. und 15. April 2014 – also genau 20 Jahre nach dem Beschluss des Abkommens – auf einem Workshop des Instituts mit internationalen Experten eingehend diskutiert. Dabei wurden aus den den Teilnehmern vorab zugeleiteten Beiträgen sieben Komplexe gebildet: I. Revisiting the Policy Rationale of TRIPS; II. TRIPS and Market Ordering; III. Systems Challenges; IV. TRIPS and Countervailing Principles; V. Exclusivity, Access and Innovation; VI. TRIPS and the Consumer; VII. Enhancing TRIPS? Die Veröffentlichung der gestützt auf die Erkenntnisse anlässlich des Workshops fertiggestellten Beiträge in einer Institutsschriftenreihe unter dem Titel „TRIPS plus 20 – From Trade Rules to Market Principles?“ erfolgt im Herbst 2015. Damit stellt die Publikation einen Jubiläumsband im Hinblick auf die Arbeitsaufnahme der WTO im Jahre 1995 dar.