Initiative [IP]² - Intellectual Property in Practice lädt Experten ins Max-Planck-Institut für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht München ein
Ein Softwarehersteller kann den Weiterverkauf seiner "gebrauchten" Lizenzen nicht verbieten, selbst wenn die Software nicht auf CD-Rom oder DVD verbreitet, sondern aus dem Internet heruntergeladen wurde. Sein ausschließliches Recht zur Verbreitung derart lizenzierter Programmkopien erschöpft sich mit dem "Erstverkauf". So entschied jüngst der Europäische Gerichtshof (EuGH) den langjährigen Rechtsstreit zwischen Oracle und UsedSoft (Az. C-128/11). Das Urteil ist nicht nur für Nutzer relevant - es wirft auch grundlegende Fragen für die Rechtswissenschaft auf und hat Folgen für die Entwicklung von Geschäftsmodellen in Softwareindustrie und Softwarehandel.
Mit dem Thema "Weiterverkauf von Softwarelizenzen" und den Folgen des UsedSoft-Urteils des EuGH setzten sich jetzt Andreas Meisterernst (Rechtsanwalt der Kanzlei Meisterernst Rechtsanwälte, München und Prozessvertreter von UsedSoft), Prof. Dr. Matthias Leistner (Direktor am Institut für Handels- und Wirtschaftsrecht der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn), Prof. Dr. Jochen Schneider (Rechtsanwalt der Kanzlei SSW Schneider Schiffer Weihermüller, München) und Dr. Oliver Wolff-Rojczyk (Vertreter der Business Software Alliance und Partner der Kanzlei FPS Rechtsanwälte & Notare, Frankfurt) im Max-Planck-Institut für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht München auseinander. Eingeladen zu der Podiumsdiskussion hatte die Stipendiateninitiative [IP]² - Intellectual Property in Practice. Nikita Malevanny, Doktorand am MPI, führte mit einem Vortrag in die Thematik ein und moderierte die anschließende Diskussionsrunde.
Leistner begrüßte zwar das UsedSoft-Urteil des EuGH im Ergebnis, wies aber zugleich darauf hin, dass sich die Entscheidung doch einiger dogmatischer Krücken bedienen müsse, um dieses Ergebnis zu erzielen. Aus dem Urteil werde klar, dass der EuGH den Binnenmarktgrundsatz zur Entfaltung bringen wolle, sich dabei aber zugleich der altbekannten Terminologie der europäischen Urheberrechtsrichtlinien bedienen müsse. Das laufe auf den Versuch hinaus, einen Erschöpfungsgrundsatz für die Online-Welt anhand der Rahmenbedingungen der Offline-Welt zu konstruieren und führe zu einigen dogmatischen Zweifeln und Unsicherheiten. Rechtsvergleichend sehe man z.B. in den USA einen zurückhaltenderen Trend bei den dortigen Gerichten, nicht zuletzt weil dort keine Binnenmarktlogik das Ergebnis überforme. Es sei vor diesem Hintergrund durchaus zu fragen, ob es wirklich die Aufgabe der Richter war, dieses (an sich rechtspolitisch sicherlich gut begründbare) Ergebnis herbeizuführen.
Schneider schloss sich der Meinung von Leistner an, dass das EuGH-Urteil dogmatisch problematisch sei. Als Rechtsanwalt könne er mit dem Urteil leben; schließlich sei eine gewisse Rechtssicherheit hergestellt worden. Jedoch seien auch Problempunkte geblieben: Es sei z.B. immer noch unklar, ob eine Aufspaltung von Volumenlizenzen in anderen Konstellationen doch noch zulässig wäre. Gesondert wies Schneider auf die Problematik der AGB-rechtlichen Würdigung hin - mit dieser werde sich nun das OLG München im Verfahren UsedSoft/Oracle beschäftigen müssen.
Zur Frage der Reaktion von Softwareherstellern auf das Urteil merkte Wolff-Rojczyk an, dass eine diesbezügliche Einschätzung noch verfrüht wäre - schließlich sei das Verfahren vor deutschen Gerichten noch nicht abgeschlossen. Er widmete sich sodann der grundsätzlichen Kritik des EuGH-Urteils und äußerte u.a. Bedenken an der Zuverlässigkeit der Notartestate als Nachweise der Löschung von Programmkopien beim Ersterwerber. Verfehlt sei auch die im Urteil vorgenommene Ableitung des Nutzungsrechts des Zweiterwerbers direkt aus der Software-Richtlinie - damit sei der Zweiterwerber nicht mehr an die Grenzen der ursprünglichen Lizenz gebunden.
Meisterernst wies diese Kritik zurück. Seiner Ansicht nach verursache die Softwareindustrie mit undurchsichtigen Geschäftsmodellen viele Probleme selbst. Auch Notartestate bezeichnete er als zuverlässig und führte aus, dass zu den Kunden von UsedSoft namhafte Unternehmen gehören, die kein Interesse an der Abgabe fehlerhafter Erklärungen hätten. Außerdem könnten etwaige Betrugsfälle durch das Strafrecht aufgefangen werden. Darüber hinaus wies Meisterernst auf das EuGH-Urteil hin, aus dem klar werde, dass der EuGH die Übertragung der Lizenz auf den Zweiterwerber im Wege einer Abtretung des Nutzungsrechts annehme.
Zuletzt wurde die Möglichkeit einer Zusammenarbeit zwischen Softwareherstellern und Gebrauchtsoftwarehändlern diskutiert: Diese wäre notwendig, um das Funktionieren des Markts für Gebrauchtsoftware zu ermöglichen. Wolff-Rojczyk merkte dazu an, dass es noch offen sei, wie die Softwareindustrie hier handeln werde. Schneider äußerte Zweifel an der Vereinbarkeit der BGH-Rechtsprechung im Fall "Half-Life 2" mit dem EuGH-Urteil - seiner Ansicht nach sei die Praxis einer Bindung von Programmkopien an nicht übertragbare Nutzungsprofile kaum mehr zulässig.[IP]² / red