Studie  |  25.04.2016

Urheberrecht und Innovation in digitalen Märkten

Studie im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz.

Um für die rechtspolitischen Diskussionen über das Urheberrecht im digitalen Zeitalter eine bessere empirische Grundlage zu schaffen, hatte das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz beim Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb die Studie in Auftrag gegeben.


Die Digitalisierung ist ein wesentlicher Treiber für Innovationen und das Entstehen neuer Geschäftsmodelle. Internetbasierte Wertschöpfungsprozesse verändern zunehmend die Rahmenbedingungen kreativen Schaffens, aber sie eröffnen auch neue Möglichkeiten der Verbreitung und Nutzung unterschiedlichster Inhalte. Entsprechend wird auch das Urheberrecht als eines der rechtlichen Instrumente zur Förderung von Innovation und Kreativität vor neue Herausforderungen gestellt. Dabei ist seine Rolle nicht nur aus juristischer, sondern auch aus ökonomischer Sicht zu bestimmen. Eine Grundlage dazu bilden die Erfassung und Analyse jener technologischen und ökonomischen Veränderungen, welche die Digitalisierung und Vernetzung mit sich bringen. Trends bezüglich Technologieentwicklungen und Wertschöpfungsmodellen zeigen sich dabei namentlich bei solchen jungen Unternehmen, die aktuell innovative, internetbasierte Geschäftsmodelle einführen. Besteht ein Zusammenhang zwischen deren Geschäftsmodellen und dem Urheberrecht, kann dieser Schlüsse darauf erlauben, welche rechtlichen Rahmenbedingungen Innovation in digitalen Märkten positiv oder negativ beeinflussen dürften.


Im Rahmen der Studie wurden 40 Startups mit internetbasierten Geschäftsmodellen befragt. Startups wurden dabei als Unternehmen definiert, die jünger als zehn Jahre sind, ein innovatives Geschäftsmodell bzw. eine innovative Technologie einsetzen und anstreben signifikant zu wachsen. In Interviews mit den Startups sollte geklärt werden, aus welchen Vorgaben des Urheberrechts sich aus Sicht der Gründer ein Konfliktpotenzial mit dem eigenen Geschäftsmodell ergibt. Zu diesem Zweck wurde zunächst ermittelt, welche Rolle urheberrechtlich geschützte Inhalte für die Wertschöpfung spielen und von wem diese geschaffen werden. Daran anknüpfend wurde erhoben, welche urheberrechtlichen Fragen, Unsicherheiten oder Risiken sich für die Startups bezüglich dieser Inhalte ergeben. Schließlich wurde abgefragt, wie sie diesen Herausforderungen im Geschäftsalltag begegnen.


Die Studie, die vom Max-Planck- Institut für Innovation und Wettbewerb gemeinsam mit dem Center for Digital Technology and Management (CDTM) als multidisziplinäre Analyse durchgeführt wurde und technische, ökonomische und rechtliche Gesichtspunkte berücksichtigt, zeigt zahlreiche Herausforderungen auf, vor denen das deutsche Urheberrecht in Bezug auf Innovation in digitalen Märkten steht. Die Studie stellt somit eine empirische Grundlage dar, auf deren Basis Reformvorschläge für das deutsche Urheberrecht erarbeitet werden können.

Stellungnahme  |  06.04.2016

Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Anpassung patentrechtlicher Vorschriften auf Grund der europäischen Patentreform

Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz eines Gesetzes zur Anpassung patentrechtlicher Vorschriften auf Grund der europäischen Patentreform (Begleitgesetz-Entwurf)

Die vorliegende Stellungnahme des Max-Planck-Instituts für Innovation und Wettbewerb befasst sich mit dem Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz für ein Gesetz zur Anpassung patentrechtlicher Vorschriften aufgrund der europäischen Patentreform (im Folgenden: Begleitgesetz-Entwurf). Die Stellungnahme verfolgt einen dreifachen Zweck.

Erstens werden ergänzende Regelungen vorgeschlagen, die eine Umgehung der Einrede der doppelten Inanspruchnahme erschweren sollen. Es wird insbesondere angeregt, auf die Voraussetzung der Parteiidentität auf der Klägerseite zu verzichten, um einen angemessenen Beklagtenschutz zu gewährleisten.

Zweitens wird die geplante teilweise Aufhebung des Doppelschutzverbotes einer kritischen Würdigung im Lichte der Ziele der EU-Patentreform unterzogen. Die Stellungnahme spricht sich für ein umfassendes Doppelschutzverbot aus.

Schließlich werden Vorschläge unterbreitet, die gewisse Gestaltungsspielräume des Übereinkommens über ein Einheitliches Patentgericht (im Folgenden: EPGÜ) und des Europäischen Patentübereinkommens (im Folgenden: EPÜ) nutzen, um Rechtsunsicherheiten und Ungleichbehandlungen vorzubeugen, die sich aus der EU-Patentreform ergeben können. Diese Vorschläge betreffen insbesondere:


(i) Die Schaffung einer Umwandlungsmöglichkeit des Einheitspatents in eine nationale Patentanmeldung im Fall einer Nichtigerklärung aufgrund des Art. 139 Abs. 2 EPÜ;

(ii) die Schließung möglicher unionswidriger Lücken, die sich aus der Nicht-Umsetzung der Art. 8-10 Abs. 1 BioPat-RL im EPGÜ ergeben könnten;

(iii) die Anpassung des PatG an die materiellen Normen des EPGÜ.


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Studie  |  23.02.2016

Principles on Conflict of Laws in Intellectual Property (CLIP)

The European Max Planck Group on Conflict of Laws in Intellectual Property (CLIP) is a group of scholars in the fields of intellectual property and private international law. It was established in 2004 and has regularly met to discuss issues of intellectual property, private international law and jurisdiction since then. The Group has drafted a set of principles on conflict of laws in intellectual property and tends to provide independent advice to European and national law makers. The Group is funded by the Max Planck Society.

Principles on Conflict of Laws in Intellectual Property
The Group has prepared Principles on Conflict of Laws in Intellectual Property (CLIP Principles). These Principles cover international jurisdiction, the applicable law, and recognition and enforcement of foreign judgments in the field of intellectual property. The Principles are scheduled to be published with comments and notes in 2012 by Oxford University Press.

On August 31, 2011 the Group advanced the Final Text of the Principles. This text was presented to an interested audience during a conference on the CLIP Principles on November 4–5, 2011 at the Harnack-Haus in Berlin. After the Conference, this text has been subject to few editorial amendments and replaced by the Final Text of December 1, 2011.

Final Text – December 1, 2011

In order to facilitate its accessibility, the Final Text of the Principles has been translated into different languages by scholars and practitioners working in the fields of intellectual property and private international law. The following non-authentic translations are available:

Chinese translation
German translation
Spanish translation


Preceding the final Text, in an effort to communicate to the public at large the results achieved up to then, the Group made available a Draft and three Preliminary Drafts.


First Preliminary Draft – April 8, 2009
Second Preliminary Draft – June 6, 2009
Third Preliminary Draft –September 1, 2010
The Draft – March 25, 2011


Recommendations to European and national law makers
The Group has made recommendations to the European legislator on issues of jurisdiction, conflict of laws and recognition and enforcement of foreign judgments.


Comments on the European Commission’s Proposal for a Regulation on the Law Applicable to Contractual Obligations („Rome I“) of December 15, 2005 and the European Parliament Committee on Legal Affairs’ Draft Report on the Proposal of August 22, 2006


Exclusive Jurisdiction and Cross-Border IP (Patent) Infringement – Suggestions for Amendment of the Brussels I Regulation (published in: (2007) EIPR 195).

Stellungnahme  |  04.02.2016

Stellungnahme zum Referentenentwurf für ein Gesetz zur verbesserten Durchsetzung des Anspruchs der Urheber auf angemessene Vergütung

Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur verbesserten Durchsetzung des Anspruchs der Urheber und ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung vom 7. September 2015

Das tendenzielle Kräfteungleichgewicht zwischen Kreativen und ihren Vertragspartner ist bis zu einem gewissen Grade systembedingt. Versuche, dieses Ungleichgewicht mittels regulato-rischer Eingriffe in die Vertragsfreiheit auszugleichen, haben in Deutschland Tradition. Der letzte Anlauf dazu erfolgte 2002 durch das Gesetz zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern. Jenes hat nach Auffassung der Bundesregierung – namentlich im Hinblick auf die angemessene Vergütung (§§ 11, 32 Abs. 1 UrhG) – nicht die erhofften Wirkungen gezeitigt.

Vor diesem Hintergrund erscheint das Anliegen einer „Nachbesserung“ im Grundsatz unter-stützungswürdig, wobei allzu weitreichende Erwartungen kaum berechtigt wären. Weder darf das Urheberrecht hinsichtlich seiner Funktionen überfordert werden; mit Recht verweist der Referentenentwurf in der Begründung denn auch auf das oftmals bestehende Überangebot an freiberuflichen Urhebern und deren teilweise Bereitschaft hin, niedrige Bezahlungen zu ak-zeptieren (S. 14). Noch dürfen gesetzliche Vorgaben die deutsche Kulturwirtschaft in einem Ausmaß belasten, bei dem Investitionsanreize beeinträchtigt werden könnten. Sicherzustellen ist vielmehr in erster Linie, dass das genannte Kräfteungleichgewicht in jenen Konstellationen ausgeglichen werden kann, in denen es sich zulasten einzelner Akteure dysfunktional auszu-wirken droht. Indessen darf nicht außer Acht bleiben, dass der Grundsatz die Vertragsfreiheit ist, während dessen Einschränkung der Rechtfertigung bedarf. Nicht Aufgabe des Urhebervertragsrechts ist es namentlich, eine erfolgreiche Verwertung geschützter Werke zu garantieren (Referentenentwurf S. 12).

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Stellungnahme  |  14.08.2015

Stellungnahme zum Enturf für ein neues deutsches Verwertungsgesellschaftengesetz

Stellungnahme des Max-Planck-Instituts für Innovation und Wettbewerb zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 9. Juni 2015 für ein Gesetz über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten durch Verwertungsgesellschaften (Verwertungsgesellschaft-VGG)

Am 9. Juni 2015 legte das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz einen umfassenden Referentenentwurf für ein neues Verwertungsgesellschaftengesetz (VGG) vor, das das Urheberrechtswahrnehmungsgesetz aus dem Jahre 1965 ersetzen soll. Bis Mitte August 2015 bestand die Möglichkeit zur Stellungnahme.

Die Gesetzesinitiative dient vor allem der Umsetzung der EU-Richtlinie 2014/26 über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten. Eine zentrale Herausforderung der Richtlinie für den deutschen Gesetzgeber besteht darin, den Anwendungsbereich des neuen Gesetzes auf die grenzüberschreitende Tätigkeit von Verwertungsgesellschaften angemessen zu bestimmen. Die Regelungen der Richtlinie in dieser Hinsicht sind keineswegs eindeutig. Entsprechend schenkt die Stellungnahme dieser Thematik besondere Aufmerksamkeit und versucht, vor allem das Verhältnis der Richtlinienbestimmungen zum Internationalen Privatrecht zu klären. Hierauf kommt es für die Umsetzung der Richtlinie in Deutschland entscheidend an, da das deutsche Wahrnehmungsrecht auch weiterhin in zentralen Teilen privatrechtliche Regelungen enthalten soll. Im Übrigen werden zu verschiedenen Vorschriften des Entwurfs Verbesserungsvorschläge unterbreitet.

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Studie  |  01.05.2015

WIPO-Vertrag von Marrakesch: Urheberrechtliche Schranke zugunsten von Blinden, Sehbehinderten und Menschen mit Leseschwäche

Positionspapier des Max-Planck-Instituts für Innovation und Wettbewerb zur Umsetzung des WIPO-Vertrags von Marrakesch über eine zwingende urheberrechtliche Schranke zugunsten von Blinden, Sehbehinderten und Menschen mit Leseschwäche.

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Stellungnahme  |  01.05.2015

WIPO-Vertrag von Marrakesch: Urheberrechtliche Schranke zugunsten von Blinden und Sehbehinderten

Positionspapier des Max-Planck-Instituts für Innovation und Wettbewerb zur Umsetzung des WIPO-Vertrags von Marrakesch über eine zwingende urheberrechtliche Schranke zugunsten von Blinden, Sehbehinderten und Menschen mit Leseschwäche.

Erklärung  |  06.04.2015

A Balanced Interpretation of the “Three-Step Test” in Copyright Law

Published on September 1, 2008 at the ATRIP Conference in Munich (see also IIC 2008, 707 – 713) 

English version
French version
German version
Portuguese version
Spanish version
Italian version
Japanese version
Chinese version 


Signing the declaration

If you want to sign the declaration, please send your information about
Name (Title) | Affiliation | Function to this adress declaration-3-step-test(at)ip.mpg.de.

List of supporters

Studie  |  05.04.2015

Copyright, Competition and Development, Study on behalf of the World Intellectual Property Organization (WIPO)

Study of the Max Planck Institute on competition law in copyright-related markets on behalf of the World Intellectual Property Organization (WIPO), December 2013


English version (original)

Studie  |  02.04.2015

Utility Model Protection in Pakistan - An Option for Incentivising Incremental Innovation

Henning Grosse Ruse-Khan legt Studie zum Gebrauchsmusterschutz für Pakistan vor – Innovationsfreude soll in dem asiatischen Land gestärkt werden – "IP is something for rich People"

Wer als Erfinder durch seine Innovationen den technischen Fortschritt fördert, kann durch ein Patent Schutz für diese Erfindungen erlangen. Dessen Erteilung ist zwar an bestimmte Voraussetzungen gebunden, sichert dem Erfinder dafür aber ein zeitlich begrenztes ausschließliches Nutzungsrecht für seine Erfindung und die Befugnis, andere von dessen Nutzung auszuschließen. Ähnliche Schutzmechanismen greifen für Gebrauchsmuster, den „kleinen Bruder“ des Patents. Doch was in einigen entwickelten, westlichen Industrienationen längst rechtlicher Standard ist, kann anderen Ortes völlig unbekannt oder ungebräuchlich sein – nicht immer zum Vorteil der lokalen kleinen und mittelständischen Betriebe, wie das Beispiel Pakistan zeigt.

„IP is something for rich people”, lautet ein gängiges Vorurteil der kleinen und mittelständischen Industrie Pakistans gegenüber dem Immaterialgüterrechtsschutz. Fast konsequent scheint es, dass der asiatische Staat heute aufgrund internationaler Verträge und Verpflichtungen zwar den Patentschutz, nicht aber den Gebrauchsmusterschutz geregelt hat. Doch das soll sich ändern: Pakistan erwägt die Einführung eines solchen Gebrauchsmusterschutzes, um einheimische Innovationsträger und ihre Erfindungen zu schützen sowie ihre Innovationsfreude weiter zu fördern. Dr. Henning Grosse Ruse-Khan, Affiliated Research Fellow am Max-Planck-Institut für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht in München, hat jetzt in seiner Studie „Utility Model Protection in Pakistan – An Option for Incentivising Incremental Innovation“ im Auftrag der World Intellectual Property Organization (WIPO) untersucht, ob für die Einführung eines solchen Schutzsystems in Pakistan ein Bedarf besteht, wie es ausgestaltet sein müsste und wie es eingeführt werden kann. Eine vergleichbare Untersuchung führt der Wissenschaftler derzeit für Jordanien durch.

Grosse Ruse-Khans Studie besteht aus drei Teilen: Den ersten Teil bildet eine Analyse des internationalen rechtlichen Rahmens. Hier ging es vor allem darum, die Handlungsspielräume der pakistanischen Regierung aus einer Abgrenzung zwischen Patent- und Gebrauchsmusterschutzrecht zu ermitteln. Im zweiten Teil seiner Studie stellte der Wissenschaftler die Schutzsysteme Deutschlands, Australiens, Chinas und Malaysias – zweier entwickelter Industrienationen sowie zweier Entwicklungs- bzw. Schwellenländer – einander gegenüber. Dabei galt es mittels rechtlicher, empirischer und ökonomischer Analyse aufzuzeigen, wie sich ein Gebrauchsmusterschutzrecht auf die Innovationskraft und –freude kleiner und mittelständischer Unternehmen auswirkt. Grosse Ruse-Khan wertete dazu beispielsweise Anmeldezahlen für Gebrauchsmuster bei den Patentämtern, das Verhältnis zwischen Patenten und Gebrauchsmustern sowie die Herkunft des anmeldenden Akteurs – also die einheimische oder ausländische Industrie – aus. Den dritten und abschließenden Teil seiner Studie bildete eine rein qualitative Untersuchung der pakistanischen Industrie sowie der im Rechtsgebiet tätigen Akteure wie Richter, Anwälte, das pakistanische IP-Office, Unternehmensverbände und Erfinder.

Das Patentrecht ist dabei eine vergleichsweise alte Rechtsdisziplin: Bereits im 15. Jahrhundert genossen Erfinder in Europa Schutz für ihre Innovationen durch so genannte Erfindungsprivilegien – königliche Schutzbriefe, die so genannten „litterae patentes“ und Namensgeber der heutigen Patente. Sie wurden etwa für Mühlenkonstruktionen, Pumpen, Werkzeuge, Salzsiedeverfahren und Bierbrautechniken erteilt. Moderne Patentgesetze entstanden zunächst 1791 in Frankreich; die deutschen Länder zogen bis Mitte des 19. Jahrhunderts nach. Heute sind patent-, urheber-, marken- und designrechtliche Regelungen für die Mitgliedsstaaten der Welthandelsorganisation WTO  – darunter auch Pakistan – zwingend vorgeschrieben. Anders verhält es sich mit dem Gebrauchsmusterschutz: Gebrauchsmuster, die „kleinen Brüder“ der Patente, gelten als so genannte „kleine Erfindungen“ nicht in gleichem Umfang schutzfähig wie ein Patent. Allerdings ist der Gebrauchsmusterschutz eines der wenigen Rechtssysteme, das auf internationaler Ebene fast gar nicht geregelt ist. Entscheidet sich ein Staat für seine Einführung, kann er diesen Schutz ganz auf den Bedarf der einheimischen Industrie ausrichten. Allerdings muss er inländische wie ausländische Unternehmen gleich behandeln.

Doch auch die Lage in dem asiatischen Land ist schwierig: „Die pakistanische Regierung hat festgestellt, dass der Patentschutz den Bedürfnissen der pakistanischen Industrie nicht gerecht wird“, erläutert der Wissenschaftler. „Das Gros aller Patentanmeldungen erfolgt in der Regel durch ausländische Unternehmen, die ihre Innovationen auch in Pakistan schützen wollen. Meist handelt es sich um Innovationen im pharmazeutischen Bereich.“ Dabei gäbe es durchaus einen Bedarf an wirksamen Schutzmechanismen für „kleine Erfindungen“, weiß Grosse Ruse-Khan: „In einigen Bereichen ahmt die pakistanische Industrie nicht nur nach, sondern es gibt durchaus innovative Entwicklungen und Erfindungen, die auch erfolgreich an den Markt gebracht wurden.“ Grosse Ruse-Khan verweist auf Entwicklungen bei Ventilatoren und medizinischen Instrumenten. In diesen Bereichen gibt es vor allem im Punjab eine innovative, wachsende Industrie, die mit Verbesserungen und anderen kleinen Erfindungen ihre Innovationskraft zeigt.
Dennoch kann Grosse Ruse-Khan Pakistan nicht unmittelbar die Einführung eines Gebrauchsmusterschutzrechtssystems empfehlen: „Die qualitative Untersuchung, der dritte Teil der Studie, hat gezeigt, dass weitere Informationen über die pakistanische Industrie, potentielle Nutzer des Schutzrechtssystems und über diejenigen Produkte, die Schutzrechtsinhaber auf den Markt bringen würden sowie die End-Konsumenten erhoben werden müssen. Valide statistische Daten, die in quantitativer Weise erhoben werden, liegen nicht vor.“ Er warnt ausdrücklich – „Eine Empfehlung für oder gegen das Schutzsystem und wie es ausgestaltet sein soll, darf nicht auf der Basis einiger weniger Meinungen erfolgen, sondern bedarf einer breiten Erhebung.“ – und plädiert dafür, eine solche Studie künftig mit einer umfassenden quantitativen Erhebung zu verbinden: „Ohne solche Daten ist eine faktenbasierte Empfehlung, die den Interessen der pakistanischen Akteure auch tatsächlich gerecht wird, nicht machbar.“

Konkret würde der Wissenschaftler gerne mehr über die Struktur der Industrie, Größe der Unternehmen, ihre Verteilung, Innovationstätigkeit und Innovationsdichte sowie die Kunden- und Konsumentenseite der Produkte erfahren. Dazu könne man auch Innovation Surveys heranziehen, schlägt Grosse Ruse-Khan vor: „Vor Ort besteht durchaus auch ein gewisses Misstrauen gegenüber offiziellen Erhebungen.“ Er erklärt das mit einem gewissen Prozentsatz an „informeller Industrie“, also solchen Unternehmen, die keine Steuern entrichten und dem Staat gar nicht bekannt sind.

Ferner regt Grosse Ruse-Khan, der sich bereits seit Jahren intensiv mit dem Immaterialgüterrecht in Ländern des Commonwealth auseinandersetzt und inzwischen auch als University Lecturer an der University of Cambridge und als Fellow am King’s College in Cambridge forscht, an, zu untersuchen, in welchem Umfang Innovationen stattfinden, in welchem Rahmen und an welchem Ort. Ebenso klärungsbedürftig ist für ihn, ob das Kopieren und Nachahmen von Konkurrenten in der pakistanischen Industrie überhaupt als Problem angesehen wird oder ob die Unternehmen nicht bereits alleine durch ihren Wissensvorsprung am Markt bestehen können.

Relevant sind solche Befunde etwa bei der Frage, ob für Gebrauchsmuster ein Anmelde- oder ein Prüfungsverfahren empfohlen wird. Ein Prüfungsverfahren würde bedeuten, dass eine Behörde eigenständig prüft, ob die Erfordernisse für die Erteilung von Gebrauchsmusterschutz gegeben sind, während beim Anmeldeverfahren die einfache Mitteilung als ausreichend erachtet würde. Erst im Streitfall, etwa auf einen Löschungsantrag hin oder im Rahmen einer Klage wegen Nachbau des geschützten Gebrauchsmusters, müsste dann untersucht werden, ob Gebrauchsmusterschutz zu Recht besteht. Grosse Ruse-Khan erläutert, dass bei einem solchen Anmeldeverfahren zwangsläufig ein gewisses Maß an Rechtsunsicherheit bestehen bliebe: „Der Vorteil liegt dennoch darin, dass gerade für kleine und mittelständische Unternehmen die Hürden zum Schutz ihrer Innovationen nicht unüberwindlich hoch wären.“ Er verweist auf das Beispiel Malaysias, wo bislang ein Prüfsystem beim Gebrauchsmusterschutz auf die Innovatoren abschreckende Wirkung hatte. „Für Pakistan – und das wäre eher aus unserer rechtsvergleichenden Untersuchung begründet – könnte sich ein solches Anmeldeverfahren bewähren“, lässt Grosse Ruse-Khan durchblicken. Dort lassen sich eine Reihe von Sicherungsmechanismen einbauen, die einen Missbrauch ungeprüfter Rechte, vor allem durch multinationale Konzerne, verhindern. Gerade weil der Gebrauchsmusterschutz international kaum geregelt ist, eignet er sich hervorragend für einen passgenauen Zuschnitt auf die nationalen Bedürfnisse, unterstreicht der Wissenschaftler. Zugleich betont er aber: „Egal welches System eingeführt wird und wie es verfahrenstechnisch gestaltet ist, sollte dieser Prozess durch quantitative Erhebungen systematisch wissenschaftlich begleitet werden. Nur so lassen sich wirklich neue Erkenntnisse etwa in Bezug auf das Innovationsverhalten gewinnen.“

Berücksichtigen kann der Jurist seine gewonnenen Erkenntnisse bei einer weiteren Studie im Auftrag der WIPO: Auch Jordanien überlegt inzwischen, ein System des Gebrauchsmusterschutzes zu etablieren. Grosse Ruse-Khan ist auch an dieser Untersuchung maßgeblich beteiligt. Seinen Bericht für die dortige Regierung wird er Anfang 2014 vorlegen.
 
Die Studie „Utility Model Protection in Pakistan – An Option for Incentivising Incremental Innovation“ finden Sie hier als PDF-Datei zum Download:
Utility Model Protection in Pakistan – An Option for Incentivising Incremental Innovation