Stellungnahme  |  03.05.2023

Stellungnahme zur Implementierung des Gesetzes über digitale Märkte

Der Digital Markets Act (DMA) trat am 1. November 2022 in Kraft und gilt seit dem 2. Mai 2023. Sein Ziel ist es, in der gesamten EU bestreit­bare und faire Märkte im digi­talen Sektor, auf denen Gate­keeper tätig sind, zu gewähr­leisten. In seiner Stellung­nahme vom 2. Mai 2023 erkennt das Institut an, dass ein­heitliche Regeln für zentrale Platt­form­dienste und eine zentra­lisierte Durch­setzung not­wendig sind, um eine Frag­mentierung des Binnen­marktes zu verhindern. Es hat jedoch weiter­hin Bedenken hin­sicht­lich der einzig­artigen institutio­nellen Aus­gestaltung des DMA und der Inter­aktion des DMA mit anderen Normen, wie in den Artikeln 1(5), 1(6) und 1(7) fest­gelegt wird.

Symbolic image: Digital Markets, photo: geralt/Pixabay

Insbesondere macht das Institut auf mögliche, zu weitreichende, Sperr­wirkungen des DMA auf nationale Regelungen aufmerksam. Diese könnten unbeabsichtigte Folgen haben, indem sie künftige nationale Gesetzesinitiativen gefährden, dadurch Gatekeeper privilegieren und letztlich die Bestreitbarkeit und Fairness auf digitalen Märkten behindern. Eine ergänzende Anwendung der Wettbewerbsregeln und eine wirksame Durchsetzung des DMA ist vor diesem Hintergrund umso wichtiger. Es besteht jedoch Unsicherheit über staatliche Rechtsdurchsetzungsmechanismen, und es ist weiterhin unklar, welche Rolle die private Rechtsdurchsetzung spielt. In der Stellungnahme werden Herausforderungen bei der Umsetzung des DMA aufgezeigt und untersucht, sowie konkrete Lösungsempfehlungen gegeben.


Position Statement of the Max Planck Institute for Innovation and Competition of 2 May 2023 on the Implementation of the Digital Markets Act (DMA)

Digital Markets Act (DMA)

Commission Implementing Regulation for the DMA of 14 April 2023

Verschiedenes  |  21.04.2023

Welchen Beitrag kann das Patentrecht zur Bekämpfung der Klimakrise leisten?

Um die Herausforderungen zu bewältigen, vor die die Klimakrise uns stellt, werden dringend neue nachhaltige Technologien benötigt. Unterschiedliche Gründe können jedoch zu Marktversagen führen, was unter Umständen Investitionen in solche Innovationen hemmt.

Foto: Leopictures/Pixabay

Reto M. Hilty und Pedro Henrique D. Batista werfen in ihrem aktuellen Artikel die Frage auf, welche Rolle das Patentrecht spielt, um die verschiedenen Arten von Marktversagen zu korrigieren. Konkret untersuchen die Autoren, inwieweit Anpassungen des Patentrechts möglich und sinnvoll sind, zeigen aber auch, wann das Patentrecht seine Wirkungen verfehlt. Zudem analysieren sie mögliche Effekte sonstiger regulatorischer Interventionen, insbesondere ob technologische Vorgaben möglichem Marktversagen entgegenwirkt oder ob damit das Risiko von Staatsversagen einhergeht.


Reto M. Hilty, Pedro Henrique D. Batista
Potential and Limits of Patent Law to Address Climate Change
Max Planck Institute for Innovation & Competition Research Paper No. 23-10

European Commission: Intellectual Property – Revised Framework for Compulsory Licensing of Patents
Stellungnahme  |  13.03.2023

Stellungnahme zur Initiative Zwangslizenzen in der Europäischen Union

Im Rahmen der öffentlichen Konsultation der Europäischen Kommission zur „Zwangslizenzierung von Patenten in der EU“ hat das Institut eine Stellungnahme veröffentlicht. Die Autor*innen um Reto M. Hilty begrüßen, dass die Kommission den öffentlichen Diskurs über dieses Thema neu beleben möchte. Nach Ansicht der Autor*innen geht der Reformvorschlag der Kommission allerdings nicht weit genug.

Logic Mill-Logo
Verschiedenes  |  31.01.2023

Logic Mill – ein Navigationssystem für Wissen

Eine ständig wachsende Zahl von Patenten, wissen­schaft­li­chen Publi­kationen und anderen Textcorpora wird für viele Forschende zunehmend zur Belastung. Gleichzeitig eröffnen sich aber auch neue wis­sen­schaft­li­che Analysemöglichkeiten. Das skalierbare, quelloffene Software-System Logic Mill wendet maschi­nelles Lernen auf sehr große Doku­­men­ten­sätze an und ermöglicht Forschenden, ähnliche Texte in ver­schie­den­sten Be­rei­chen schnell zu identifizieren. Hiermit ergeben sich neue Perspektiven etwa für Re­cher­chen zum Stand der Technik bei der Patentprüfung, zur Beurteilung der Neuheit von Patenten und Ver­öffent­li­chun­gen sowie der Wahr­schein­lich­keit von Patentstreitigkeiten. 

Logic Mill-Logo
Logic Mill-Logo – inspiriert von Gottfried Wilhelm Leibnitz’ Sprossenrad aus der Skizze einer Rechenmaschine.
Darstellung der Implementierung von Logic Mill
Darstellung der Implementierung von Logic Mill

Forschende sehen sich mit einer immer größeren Menge an relevanten Dokumenten aus den unterschiedlichsten Bereichen konfrontiert. Damit besteht ein wachsender Bedarf an Werkzeugen, die es Forschenden ermöglichen, verwandte Texte in ver­schie­de­nen Bereichen schnell zu identifizieren. Bestehende Lösungen erlauben keine Verknüpfung von Dokumenten aus Textkorpora, die verschiedenen Domänen entstammen. Sie sind zudem nicht skalierbar oder verwenden Algorithmen, die nicht quelloffen und allgemein zugänglich sind.


Logic Mill – ein neues Software-System und Forschungstool


Logic Mill ist ein neues Software-System und Forschungstool, das von einer Forschungsgruppe der wirtschaftswissenschaftlichen Abteilung unter Leitung von Dietmar Harhoff entwickelt wurde, um Dokumente zu identifizieren, die einem bestimmten Text in anderen Textkorpora ähnlich sind. Es besteht aus einer Reihe von quelloffenen Software-Komponenten und besitzt eine öffentliche Schnittstelle für die Anwendungsprogrammierung (API), die von der wissenschaftlichen Gemeinschaft genutzt werden kann.


Die Lösung


Die Logic Mill-Software analysiert große Teile von Texten, die ja nicht nur aus Wörtern, sondern auch Struktur und Kontext bestehen, mit Hilfe modernster maschineller Lernverfahren. Im Gegensatz zu früheren Versuchen, die Ähnlichkeit von Texten zu schätzen, berücksichtigt Logic Mill die semantische Struktur als zusätzliche Dimension der Ähnlichkeit. Logic Mill sucht nicht nur nach dem Vorkommen gleicher Wörter, sondern auch danach, in welchem Kontext (d.h. relativ zum Satz und Absatz) diese vorkommen. Spezielle Modelle für maschinelles Lernen kodieren den Text numerisch und lassen so die Berechnung verschiedener Ähnlichkeitsmaße zu.


Bisherige Versuche, Textdokumente zu vergleichen, beschränkten sich meist auf Texte der gleichen Kategorie, z.B. Patente mit Patenten oder Publikationen mit Publikationen. Nun kann man Dokumente aus verschiedenen Domänen untereinander und miteinander vergleichen.


Bisher arbeitet Logic Mill mit Datensätzen von Semantic Scholar, EPO, USTPO und WIPO. Eine Einbindung von Wikipedia ist in Vorbereitung.


Die Anwendungsmöglichkeiten


Logic Mill ermöglicht schnell umfangreiche Literaturrecherchen. Es erlaubt, semantisch ähnliche Patentdokumente zu finden, was wichtig für Recherchen zum Stand der Technik bei der Patentprüfung oder für die Abschätzung der Wahrscheinlichkeit von Patentstreitigkeiten ist. Zudem kann eine Verbindung von Patenten zu entsprechenden wissenschaftlichen Publikationen hergestellt werden. Logic Mill kann sowohl Referenzen für neue Dokumente als auch gerade neu veröffentlichte Publikationen empfehlen. Es erlaubt zudem, die Neuheit von Patenten und Publikationen zu bewerten. Darüber hinaus können Wissensströme über verschiedene Bereiche hinweg verfolgt und neue Trends und die Verbreitung neuer Konzepte aufgespürt werden.


Der Name des Projekts Logic Mill ist durch die Romane des “Barock Cycle” des britischen Schriftstellers Neal Stephenson inspiriert. Darin entwirft der deutsche Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz eine Maschine, die das gesamte menschliche Wissen auf der Grundlage eines Abrufsystems organisiert, das auf Primzahlen basiert. Diese Maschine ist zwar fiktiv, aber Leibniz’ Gedanken klingen in der modernen Informatik nach, insbesondere im Hinblick auf das Problem der numerischen Darstellung jeglicher Art von Daten.


Weitere Informationen:


Wenn Sie über die Fortschritte bei Logic Mill informiert werden möchten oder am Testprogramm teilnehmen möchten, können Sie sich auf der Logic Mill-Website registrieren.


Direkt zur Publikation Logic Mill – A Knowledge Navigation System.

Teilnehmende des Workshops im Oktober 2021 in Kyjiw. Foto: Sophia Sorg
Studie  |  27.01.2023

Umfassendes Werk zum ukrainischen Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht veröffentlicht

Bereits im Jahr 2020 begann das Buchprojekt, dessen Ergebnis nun vorliegt. Heiko Richter, wissenschaftlicher Referent am Institut, gibt mit “Competition and Intellectual Property Law in Ukraine” das bislang umfassendste Buch zum ukrainischen Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht in englischer Sprache heraus.

Teilnehmende des Workshops im Oktober 2021 in Kyjiw. Foto: Sophia Sorg
Teilnehmende des Workshops im Oktober 2021 in Kyjiw. Foto: Sophia Sorg

Die 600 Seiten zählende Publikation setzt den Endpunkt eines zweieinhalbjährigen Projekts. Hieran waren mehr als 20 ukrainische Rechtswissenschaftler*innen beteiligt, die mit ihren Beiträgen ein breites thematisches Spektrum abdecken. Der ganzheitlich konzipierte Band bezweckt, die Entwicklung und den aktuellen Stand des ukrainischen Rechts für die internationale Forschungsgemeinschaft zugänglich und sichtbar zu machen. Neben der Förderung des wissenschaftlichen Diskurses soll das Buch auch politische Verantwortliche ansprechen. So erörtern und konkretisieren die Beiträge rechtspolitische Reformvorschläge.


Die jüngere Rechtsentwicklung in der Ukraine ist außerordentlich dynamisch. Nicht zuletzt infolge des 2014 geschlossenen Assoziierungsabkommens zwischen der Ukraine und der EU haben sich das ukrainische und Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht stark verändert. Die Untersuchung beleuchtet theoretische Aspekte der Rechtsangleichung ebenso wie konkrete Entwicklungen in den Bereichen des internationalen Handelsrechts, des Kartell- und Lauterkeitsrechts, des gewerblichen Rechtsschutzes und des Urheberrechts. Dabei erstreckt sich das Themenspektrum von der „Europäisierung“ des ukrainischen Kartellrechts und der kartellrechtlichen Regulierung der Digitalwirtschaft über den Zugang zu Medikamenten und die Bedeutung geographischer Herkunftsangaben bis hin zur Reform der Verwertungsgesellschaften und des immaterialgüterrechtlichen Schutzes künstlicher Intelligenz. 


Mit dem Ziel, ein Standardwerk vorzulegen, haben die Autorinnen und Autoren über Instituts- und Ländergrenzen hinweg intensiv zusammengearbeitet. Ihrer Beharrlichkeit und Zuversicht ist es zu verdanken, dass das Manuskript inmitten der Kriegswirren schließlich im Spätsommer 2022 fertiggestellt werden konnte. Für das Institut waren neben dem Herausgeber auch noch Moritz Sutterer, Daria Kim, Sophia Sorg und Claudia Dalmau Gomez an dem Projekt beteiligt, das auch von einem Online- und einem Präsenz-Workshop in Kyjiw im Oktober 2021 begleitet wurde. Im Rahmen des Projektes sind viele persönliche Kontakte entstanden.


Competition and Intellectual Property Law in Ukraine ist als Teil der Reihe MPI Studies on Intellectual Property and Competition Law bei Springer erschienen und steht dort über Springer-Link als PDF und EPUB als zum Download zur Verfügung. Die Druckversion ist im Buchhandel verfügbar.

Studie  |  26.01.2023

Vorwürfe sexuellen Fehlverhaltens, beschuldigte Forschende und ihre wissenschaftliche Arbeit

Sanktioniert die wissenschaftliche Gemeinschaft sexuelles Fehlverhalten? Während wissenschaftliche Arbeit gemäß Mertons Norm des Universalismus unabhängig davon beurteilt werden sollte, wer sie geschaffen hat, sollte die wissenschaftliche Gemeinschaft auch gutes Sozialverhalten fördern, um ein inklusives Umfeld zu schaffen. Die Ergebnisse einer neuen Studie werfen eine Reihe von ethischen Fragen auf, die die wissenschaftliche Gemeinschaft in Zukunft beantworten muss. 

Ziel der Wissenschaft ist, Wissen zu produzieren. Um diesen Prozess zu erleichtern, ist die Wissenschaft nach einer Reihe von Grundsätzen organisiert, die als „Merton’sche Normen“ bekannt sind. Ein Grundsatz ist unter anderem, dass Ideen nach ihrem eigenen Wert beurteilt werden, unabhängig davon, wer sie geschaffen hat. Gleichzeitig ist Wissenschaft aber auch ein soziales System. Die Gemeinschaft der Forschenden kann sich auf zusätzliche Normen stützen, um ein inklusives Umfeld zu schaffen und sich selbst zu regulieren. Manchmal stehen diese Normen in Konflikt miteinander.


Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass die Gemeinschaft den wissenschaftlichen Artikeln von Forschenden, von denen Arbeiten zurückgezogen wurden, weniger Aufmerksamkeit schenkt, d.h. sie weniger zitiert. Eine solche Strafe kann als vereinbar mit Merton’schen Normen angesehen werden, da Rücknahmen Zweifel an der Gültigkeit der Arbeit aufkommen lassen. Vergleichbare Strafen für Beiträge von Forschenden, die in eklatanter Weise gegen soziale Normen verstoßen haben, sind jedoch problematisch.


In einer neuen Studie versuchen Rainer Widmann, Michael E. Rose und Marina Chugunova die Frage zu beantworten, ob die wissenschaftliche Gemeinschaft nicht nur „schlechte Wissenschaft“, sondern auch „schlechtes Sozialverhalten“ sanktioniert. Sie konzentrieren sich dabei auf sexuelles Fehlverhalten, das in der Wissenschaft wie auch in anderen Bereichen eine verbreitete Form der Verletzung sozialer Normen darstellt.


In ihrer Analyse verfolgen sie die Zitierungen wissenschaftlicher Artikel mutmaßlicher Täter, die vor Anschuldigungen sexuellen Fehlverhaltens veröffentlicht wurden, und vergleichen sie mit den Zitierungen anderer Artikel aus der gleichen Zeitschriftenausgabe. Sie stellen fest, dass die wissenschaftliche Gemeinschaft frühere Arbeiten mutmaßlicher Täter weniger zitiert, nachdem Anschuldigungen sexuellen Fehlverhaltens aufgetaucht sind. Forschende, die dem Täter im Rahmen eines Koautoren-Netzwerks sehr nahestehen (z.B. ehemalige Koautor*innen), reagieren am stärksten und reduzieren ihre Zitierungen am deutlichsten. Vergleicht man die Ergebnisse der neuen Studie mit Zitationsstrafen für wissenschaftliches Fehlverhalten, scheinen die Größenordnungen ähnlich zu sein. Schließlich dokumentiert die Studie, dass mutmaßliche Täter mit spürbaren Konsequenzen für ihre Karriere zu rechnen haben: Sie veröffentlichen weniger, kooperieren weniger mit anderen und verlassen die akademische Forschung mit größerer Wahrscheinlichkeit.


Es kann mehrere Gründe geben, warum Autorinnen und Autoren Zitate zurückhalten. Erstens könnten sie dies tun, um zu bestrafen – selbst dann, wenn die Bestrafung mit Kosten verbunden ist, etwa einem Abweichen von der üblichen Norm beim Zitieren relevanter früherer Arbeiten. Zweitens zitieren Autorinnen und Autoren möglicherweise deshalb nicht, um nicht als Befürworter sexuellen Fehlverhaltens zu gelten. Dieses Motiv könnte besonders für Forschende relevant sein, die dem mutmaßlichen Täter nahestehen. Drittens trennen Fachkolleginnen und -kollegen möglicherweise nicht zwischen akademischem und nichtakademischem Fehlverhalten oder sind der Ansicht, dass Fehlverhalten in beiden Bereichen zusammenhängt.


Die vorgestellte Studie ist die erste, die systematische Erkenntnisse über die Folgen sexuellen Fehlverhaltens für die Täter liefert. Die Ergebnisse werfen eine Reihe ethischer Fragen auf, die das Spannungsverhältnis zwischen der Förderung von Wissen und der Förderung der Wissenschaft als sozialer Institution verdeutlichen. Ist der Rückgang der Zitate von früheren Arbeiten des Täters eine unangemessene Verzerrung des wissenschaftlichen Prozesses oder eine angemessene Strafe? Ist der Verlust an wissenschaftlichem Output durch den Ausschluss oder die Bestrafung von mutmaßlichen Tätern akzeptabel? Sind die dokumentierten Konsequenzen für die berufliche Laufbahn angemessen, wobei auch ein möglicher Abschreckungseffekt für (künftige) Opfer berücksichtigt wird? Die Ergebnisse der Studie bieten eine neue Grundlage für eine Diskussion dieser wichtigen Themen.


Weitere Informationen:


Direkt zur Publikation

Allegations of Sexual Misconduct, Accused scientists, and Their Research

Max Planck Institute for innovation and Competition Research Paper No. 22-18

Symbolbild EU-Design Package - CC0 based on images by pixabay.com
Stellungnahme  |  24.01.2023

Stellungnahme zum EU-Design Package

Am 28. November 2022 hat die EU-Kommission Vorschläge für eine überarbeitete Verordnung und Richtlinie über Geschmacksmuster (Design-Package) angenommen. Ziel der Vorschläge ist, die Verfahren zu straffen und zu vereinfachen, die Harmonisierung voranzutreiben und die Funktionsweise des Geschmacksmusterrechts zu verbessern. In der Stellungnahme vom 23. Januar 2023 begrüßt das Institut insgesamt die Vorschläge. Einige Punkte jedoch verdienen weitere Kommen­tierung und Klarstellung. Hierbei liegt der Schwerpunkt auf Aus­füh­rungen des materiellen Rechts.

Data Sharing for Good Health & Well-Being: India's Way Forward to Achieving Sustainable Development Goal 3
Verschiedenes  |  28.10.2022

Nachhaltige Entwicklungsziele durch gemeinsame Datennutzung erreichen

“Regulation of the Data Economy in Emerging Economies” lautet der Titel eines internationalen Projekts, in dem sich Forschende des Instituts damit befassen, wie regulatorische Mecha­nismen im Bereich der Daten­wirtschaft gestaltet werden müssen, um eine nachhaltige Wirtschafts­entwicklung in Schwellen­ländern zu fördern. Der zweite Workshop dieses Projekts mit Schwer­punkt auf gesund­heitlichen Themen fand am 8. und 9. September in Bengaluru, Indien, statt.

Data Sharing for Good Health & Well-Being: India's Way Forward to Achieving Sustainable Development Goal 3
Teilnehmende des Workshops in Bengaluru, Indien

Zu dem sich schnell entwickelnden politischen Rahmen in der EU für die Regulierung der digitalen Wirtschaft hat das Institut bereits einen wichtigen Beitrag geleistet. Vor kurzem wurde eine eingehende Analyse der Bestimmungen des vorgeschlagenen Datengesetzes (Data Act) als  Stellungnahme veröffentlicht.Da die Fragen im Zusammenhang mit der digitalen Wirtschaft jedoch globaler Natur sind, befassen sich Forschende des Instituts auch mit den Entwicklungen außerhalb der EU. Vor diesem Hintergrund arbeitet ein Team unter der Leitung von Prof. Dr. Josef Drexl an einem Projekt mit dem Titel Regulation of the Data Economy in Emerging Economies. Das Projekt konzentriert sich auf die Untersuchung von Ansätzen in Schwellenländern, wie Nutzung von Daten dazu beitragen kann, eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen und wird in Zusammenarbeit mit internationalen Partnern aus Brasilien, Indien und dem Senegal entwickelt. Diese Partner sind die Mackenzie University, São Paulo, die National Law School of India University, Bengaluru, die BML Munjal University, Haryana und die Université Virtuelle du Senegal, Dakar.


Um den Stand der Dinge in den einzelnen Ländern in Bezug auf die gemeinsame Nutzung von Daten im Zusammenhang mit den  Sustainable Development Goals der UN (SDGs), zu ermitteln, werden zunächst die aktuellen Initiativen privater und öffentlicher Einrichtungen, der bestehende Rechtsrahmen und die politische Debatte über die gemeinsame Nutzung von Daten untersucht. Dementsprechend wurden in jedem Land Vor-Ort-Workshops geplant, um die Forschung in den Kontext der sozioökonomischen Realität dieser Schwellenländer zu stellen. Der erste Workshop dieser Reihe trug den Titel „Workshop on Data Sharing and Sustainable Development in Emerging Economies – Senegal“ und fand am 16. und 17. März 2022 in Dakar statt. Der Schwerpunkt lag auf Landwirtschaft und finanzieller Eingliederung. Es folgte ein Workshop in Bengaluru am 8. und 9. September mit dem Titel “Data Sharing for Good Health & Well-Being: India’s Way Forward to Achieving Sustainable Development Goal 3”.


Der kürzlich abgeschlossene Workshop in Bengaluru brachte ein breites Spektrum von Interessenvertretern in Indien zusammen, von Pioniervertretern der Industrie im Gesundheitssektor (NIRAMAI Health Analytix, Saathealth, DRiefcase, Ambee), Industrieverbänden wie NASSCOM, privaten Initiativen wie Swasth Alliance und iSPIRT, öffentlichen Institutionen wie NITI Aayog, unabhängigen Forschern und Forschungseinrichtungen im Gesundheitsbereich, Mitgliedern der Zivilgesellschaft sowie Akademiker*innen aus den Bereichen Politik- und Rechtswissenschaften.


Eine der wichtigsten Erkenntnisse aus dem Workshop in Bengaluru war, dass es in verschiedenen Bereichen enorme Innovationen bei der Nutzung von persönlichen und nicht-persönlichen Daten gibt, um das SDG Nr. 3 zu erreichen. Es wurde auch festgestellt, dass Indien von seiner Erfahrung beim Aufbau einer digitalen öffentlichen Infrastruktur profitiert, die auf die Entwicklung seiner Unified Payment Interface im Jahr 2016 zurückgeht. Dies unterscheidet sich von dem Ansatz im Senegal, wo das infrastrukturelle Rückgrat für den Datenaustausch noch fehlt. Während die Einführung dieser Initiativen im Gesundheitssektor in Indien ermutigend ist, scheint ein Rechtsrahmen für diese weitgehend technologische Lösung für den Datenaustausch im Gesundheitswesen zu fehlen. In diesem Zusammenhang wurde auch thematisiert, dass eine umfassenden Datenschutzregelung in Indien bisher nicht vorhanden ist.

In den kommenden Monaten werden von jedem Workshop länderspezifische Berichte erwartet. Diese wissenschaftlichen Berichte werden die Vielfalt der Ansätze in diesen Schwellenländern analysieren und in die Formulierung allgemein anwendbarer Empfehlungen einfließen. Diese Empfehlungen können dann genutzt werden, um spezifische Strategien für den Datenaustausch zu entwickeln und die Erreichung der SDGs zu unterstützen.


Der nächste Workshop findet am 15. und 16. Dezember 2022 in São Paulo an der Mackenzie-Universität statt und wird sich mit dem Thema Klimaschutz (SDG Nr. 13) befassen: Data Sharing & Climate Action in Brazil

Michael E. Rose beim Scan eines Verzeichnisses
Studie  |  22.07.2022

Wie Ahnenforschung die Wissenschaft unterstützt – ein Citizen-Science-Projekt

Das Institut führt ge­mein­sam mit dem Verein für Com­puter­ge­nea­logie (CompGen) ein Dig­ita­lisie­rungs­projekt durch, bei dem Laien bei der Daten­er­fas­sung helfen. Die Daten aus über 100 Jahr­gängen der „Jahres­ver­zeich­nisse der an den Deut­schen Uni­ver­sitäten und Hoch­schulen er­schie­ne­nen Schriften“ er­öff­nen viele neue, span­nende For­schungs­fragen.

Michael E. Rose beim Scan eines Verzeichnisses
Senior Research Fellow Michael E. Rose, Ph.D., beim Scan eines Verzeichnisses
Eintrag der Dissertation von Fritz Haber in der Bearbeitungsmaske
Eintrag der Dissertation von Fritz Haber in der Bearbeitungsmaske
Originaleintrag der Dissertation von Hilde Mangold
Originaleintrag der Dissertation von Hilde Mangold

Citizen Science, auch Bürger­wissen­schaft genannt, lebt von der Interaktion zwischen Bürger*innen und For­schenden. Das Ko­operations­interesse nimmt stetig zu. Bekannt sind Projekte im Umwelt­bereich vom Vogel­zählen bis zur Bienen­beobachtung.


Seit Dezember 2021 kooperiert nun das MPI für Innovation und Wett­bewerb mit dem Verein für Computergenealogie (Comp­Gen) in einem Daten­projekt, bei dem die „Jahres­verzeich­nisse der an den Deut­schen Uni­ver­sitäten und Hoch­schulen erschienenen Schriften“ erfasst werden. Die Ver­zeich­nisse, die zwischen 1885 und 1987 zunächst von der Königlichen Bibliothek Berlin und später von der Deutschen Bücherei in Leipzig herausgegeben wurden und 103 Jahr­gänge umfassen, listen hauptsächlich Disser­tationen und Habilitations­schriften auf, die an deutschen Uni­versitäten und Hoch­schulen ent­standen sind. Danach wurden die Ver­zeich­nisse in dieser Form eingestellt. Eine digitale Fort­setzung scheiterte.


Für die Bürger*innen, die Genealogie oder Familien­forschung be­trei­ben, sind die Listen, die teils reiche bio­graphische Angaben ent­halten, inter­essant, weil sie hoffen, auf Vor­fahren, Träger*innen gleichen Namens oder Personen aus ihrem Ort oder ihrer Region zu treffen. So berichtet die am Projekt mit­ar­bei­tende Birgit Casper zu ihrer Moti­vation bei der Daten­erfassung: „Ich kenne in meiner Familie zwei Ärzte. Von einem, geb. 1891, weiß ich ziemlich genau, wo er studiert hat und dass er 1920 seine Dis­ser­tation ‚Über Vergiftungs­fälle mit ameri­kanischem Wurm­samen­öl‘ an der medi­zi­ni­schen Fa­kultät in Rostock abgegeben hat. Vom anderen, geb. 1892, weiß ich nur, wo er ab 1924 als Arzt prak­tiziert hat. Ich weiß weder, wo er studiert hat, noch wann und über welches Thema er promo­viert hat. Da warte ich auf den ent­sprechenden Band.“


Für die Wissen­schaft sind die Listen spannend, da sie eine voll­ständige Über­sicht über For­schende geben, die seit 1885 an deut­schen Hoch­schulen aus­ge­bildet wurden und teils inter­national be­deu­tend waren. Da deut­sche Hoch­schulen um die Jahr­hundert­wende in nahezu allen Dis­zi­plinen inter­national füh­rend waren, verspricht das Projekt be­sonders inter­essante Ein­blicke: Wir finden die Disser­tationen zahl­reicher späterer Nobel­preis­träger*innen, wie von Walther Nernst, der 1920 den Nobel­preis für Chemie erhielt und im Direk­torium des Kaiser-Wilhelm-Instituts (KWI) für Physik war, sowie Werner Heisenberg, dem späteren Namens­geber des nachfolgenden MPI für Physik, und zudem mit Maria Goeppert-Mayer, die 1963 mit dem Nobel­preis für Physik ausgezeichnet wurde, die erste deutsche Nobel­preis­trägerin.


Auch der erste reguläre Doktor­titel für eine Frau wird sich in den Listen finden. Tat­sächl­ich sind Frauen zunächst stark unter­re­präsen­tiert. Nur wenige durften vor 1900 promo­vieren und dies nur mit Sonder­ge­neh­migung. Erst zwischen 1901 und 1908 ließen die deut­schen Staaten Frauen suk­zessive an ihren Hoch­schulen zu. Das Recht zur Promo­tion jedoch ver­gaben die Fa­kul­­täten selbst. Eine sys­tema­tische Er­fassung aller Disser­tationen wird somit eine voll­ständige Über­sicht generieren, ab wann spätestens Frauen an welchen Hoch­schulen und Fa­kul­täten promo­vieren durften. Das Recht zur Habilitation – der Weg zur Professur – wurde ihnen übrigens noch später gegeben: Auch hier können die Listen helfen, Licht ins Dunkel zu bringen.


Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Laien im Projekt?


Um Freiwillige zu finden, die an dem Projekt mitarbeiten wollen, publiziert CompGen auf Twitter und im Blog auf der Compgen-Website Aufrufe und Updates. Auf einer speziellen Wiki-Seite zum Projekt können die Freiwilligen sich registrieren, über die Editionsrichtlinien informieren und direkt mit der Datenbearbeitung beginnen.


Michael E. Rose, Senior Research Fellow am MPI für Innovation und Wettbewerb, der das Projekt leitet und im Bereich „Science of Science“, also Forschung über Wissenschaft an sich, tätig ist, scannt die Verzeichnisse sukzessive.


Dann werden die Listen mit einem Text­er­ken­nungs­pro­gramm er­fasst und grob seg­mentiert: Was sind Vorname, Nachname, Titel der Disser­tation, das Datum der Ver­tei­digung, weitere An­gaben? Die Frei­willigen aus der Ah­nen­­forschung nutzen die vom Verein bereit­gestellte Infra­struktur (Eingabemaske und Datenspeicher), um die Einträge Korrektur zu lesen und händisch zu ergänzen. Die erfassten Daten­sätze stehen sofort für eine Such­ab­frage bereit. Bisher wurden sieben Jahr­gänge bearbeitet. Nach Ab­schluss des Projekts werden die Listen, die mit Ver­knüp­fungen, etwa zur Deutschen National­bibliothek, zu Wikipedia und Scopus, einer multi­disziplinären Abstract- und Zitations­datenbank für Forschungs­literatur, versehen sind, öffent­lich als Forschungs­daten ver­fügbar sein.


Eine der be­kann­testen bisher erfassten Persön­lich­keiten ist Fritz Haber, der als Gründungs­direktor 22 Jahre lang das KWI für Physikalische Chemie und Elektrochemie in Berlin leitete, das heute nach ihm benannt ist. Seine Disser­tation „Ueber einige Derivate des Piperonals“, einen fungiziden Duft­stoff, findet sich im VI. Jahrgang (1890/91). Fritz Haber erhielt den Nobel­preis 1919, nach­träglich für das Jahr 1918, für seine For­schung zur katalytischen Synthese von Ammoniak – also in einem anderen Forschungs­bereich als seine Dissertation.


Max von Laue hingegen, der 1903 bei Max Planck „Über die Inter­ferenz­erschei­nungen an plan­paral­lelen Platten“ promo­vierte, verfolgte die mit der Disser­tation begonnene Forschung weiter – bis zum Nobel­preis, der ihm 1914 für seine Arbeit über Röntgen­strahl­inter­ferenzen zuerkannt wurde.


Jedoch nicht allen Promo­vierenden konnte die verdiente An­erken­nung zuteilwerden. Die Forschung von Hilde Mangold im Bereich der Em­bryologie führte 1935 zu einem Nobel­preis für ihren Doktor­vater Hans Spemann, der während des Ersten Weltkriegs Direktor am KWI für Biologie in Berlin-Dahlem war. Mangold selbst kam kurz nach Ver­tei­digung ihrer Disser­tation 1924 bei einem Brand ums Leben. Immer­hin wird die prämierte Entdeckung, der Spemann-Organisator, gelegent­lich auch Spemann-Mangold-Organisator genannt.


Die im Projekt digitalisierten Daten ermöglichen aufgrund ihrer Detailtiefe und Vollständigkeit zahlreiche spannende Forschungsfragen. Können wir an juristischen Dissertationen Probleme einer Epoche ablesen? Wie ändern sich Demographie und soziale Herkunft von Promovierenden im Laufe der Zeit und an den einzelnen Universitäten? Wer waren die Frauen, die als Pionierinnen einen Doktortitel errangen? Wie ist der Zusammenhang von Dissertationen und Patentaktivität?


Doch zuvor muss der Datensatz fertig gestellt werden und dafür wird noch jede Hand und jedes Augenpaar gebraucht. Mehr Informationen unter https://wiki.genealogy.net/Hochschulschriften.

Stellungnahme  |  05.07.2022

Stellungnahme zum Beschluss der WTO-Ministerkonferenz zum TRIPS-Abkommen

Am 17. Juni 2022 verab­schiedete die WTO-Minister­konferenz einen lang erwarteten Beschluss zum TRIPS-Abkommen. Der Beschluss setzt nicht Schutz­rechte als solche außer Kraft, wie von Indien und Süd­afrika im Oktober 2020 vorgeschlagen. Statt­dessen stellt er haupt­sächlich die Anwendung der bestehenden TRIPS-Flexi­bilitäten klar. Im Anschluss an seine frühere Stellung­nahme veröffent­lichte das Institut ein Papier, das die rechtlichen und praktischen Aus­wirkungen des Beschlusses umreißt.

Diese zweite Stellungnahme, die an die Stellungnahme des Instituts vom 7. Mai 2021 anschließt, befasst sich mit den rechtlichen und praktischen Auswirkungen des Ministerbeschlusses im Hinblick auf das übergeordnete Ziel, die COVID-19-Pandemie zu überwinden. Ein besonderes Augenmerk liegt hierbei auf den TRIPS-Flexibilitäten in Bezug auf die Zwangslizenzierung von Patenten. 


Stellungnahme vom 5. Juli 2022 zum Beschluss der WTO-Ministerkonferenz zum TRIPS-Abkommen vom 17. Juni 2022