Studie  |  29.07.2021

Welche Patente sind wirklich standardessenziell? Eine automatisierte semantikgestützte Analyse

Die Identifizierung von standardessenziellen Patenten (SEPs) stellt eine erhebliche Herausforderung für Forschende, Praktiker und politische Entscheidungsträger dar. In einer neuen Studie wird ein semantikgestützter Ansatz zur Bewertung der geltend gemachten Standardessenzialität von deklarierten Patenten vorgestellt.

Automatisierte Analyse der Textähnlichkeit zwischen Patenten und Standards

SEPs spielen für die technische Koordination in Standardisierungsorganisationen eine zunehmend wichtige Rolle. Es bleibt jedoch unklar, ob ein deklariertes Patent wirklich standardessenziell ist. Strategische Anreize können Patentinhaber in ihrer Entscheidung beeinflussen, Standardessenzialität geltend zu machen. Dies kann zu rechtlichen und vertraglichen Konflikten während der Standardsetzung und den anschließenden Lizenzverhandlungen führen. Die neue Studie von  Lorenz Brachtendorf, Fabian Gaessler und Dietmar Harhoff befasst sich mit dieser Problematik und stellt eine automatisierte, semantikgestützte Methode zur Bestimmung der Standardessenzialität von Patenten vor.


Die manuelle Prüfung von Patenten auf Standardessenzialität erfordert ein hohes Maß an technischem Wissen und zeitlichem Aufwand. Im Gegensatz dazu ist die vorgestellte Methode einfach und kostengünstig in der Anwendung. Der skalierbare, objektive und replizierbare Ansatz ermöglicht vielfältige praktische Anwendungen. Die Autoren veranschaulichen die Nützlichkeit der Methode bei der Bestimmung des Anteils tatsächlicher SEPs in Patentportfolios von Firmen für mehrere globale Mobilfunkstandards. Die Ergebnisse offenbaren erhebliche Unterschiede auf Unternehmensebene, die statistisch signifikant und ökonomisch bedeutsam sind.


Neben praktischen Anwendungen kann die Methode auch Erkenntnisse von politischer Relevanz liefern. So kann beispielsweise untersucht werden, ob bestimmte politische Maßnahmen ihr Ziel erreichen, patentbedingte Konflike im Standardisierungs- und Umsetzungsprozess abzuschwächen.


Diese Studie leistet einen wichtigen Beitrag zur Vereinfachung der Ex-ante-Koordinierung zwischen Technologieanbietern und Implementierern von technischen Standards. Dies ist von besonderer Bedeutung, da standardisierte Lösungen für die Informations- und Kommunikationstechnologien zu einem wichtigen Aspekt der technologischen Innovation geworden sind und in vielen Branchen unserer Wirtschaft allgegenwärtig sind. Die Studie wird demnächst präsentiert auf der USPTO 14th Annual Conference on Innovation Economics sowie auf der EPIP 2021.


Zum Projektposter (in englischer Sprache).


Zur ausführlichen Projektbeschreibung (in englischer Sprache) im Tätigkeitsbericht 2018 - 2020.


Hören Sie den EPO Podcast – Talk Innovation “Research into Patents – Drilling Deeper on the Standard Essentiality of Patents” mit Dietmar Harhoff (in englischer Sprache).


Publikationen


Brachtendorf, Lorenz; Gaessler, Fabian; Harhoff, Dietmar (2020). Approximating the Standard Essentiality of Patents – A Semantics-Based Analysis. Final Report for the European Patent Office Academic Research Programme.


Brachtendorf, Lorenz; Gaessler, Fabian; Harhoff, Dietmar (2020). Truly Standard-Essential Patents? A Semantics-Based Analysis. CEPR Discussion Paper No. DP14726 und CRC Discussion Paper No. 265.