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Dissertation
Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht

Die Konkurrenz von Urheberrecht und Lauterkeitsrecht im Binnenmarkt

Das Verhältnis von Urheberrecht und Lauterkeitsrecht als „Klassiker“ der Rechtswissenschaft bietet ein buntes und weitläufiges Forschungsfeld, das methodische Grundlagenfragen der Normkollisionen im deutsch-europäischen Mehrebenensystem mit einer unüberschaubaren Vielzahl an denkbaren konkreten Fallkonstellationen verbindet.

Letzte Änderung: 02.10.20

Das Verhältnis von Urheberrecht und Lauterkeitsrecht beschäftigt deutsche Juristen seit über 100 Jahren und kann daher getrost als Klassiker der Rechtswissenschaft bezeichnet werden. Dass sich eine genauere Beschäftigung mit diesem Thema aber nach wie vor lohnt, zeigt nicht zuletzt die große Zahl an aktuellen, einschlägigen Beitragen. Grund für die anhaltende Aktualität sind ein nachhaltiger Funktionswandel und eine fortschreitende Harmonisierung auf europäischer und internationaler Ebene, die Urheberrecht und Lauterkeitsrecht tiefgreifend verändern. Die Geschichte des Urheberrechts auf der einen Seite stellte sich schon immer als Reaktion auf technische Fortschritte dar. Diese Entwicklung hat sich in Zeiten des galoppierenden digitalen Fortschritts noch verstärkt. Im deutschen Lauterkeitsrecht auf der anderen Seite hat, von punktuellen Eingriffen abgesehen, insbesondere die himmelweite Generalklausel § 1 UWG 1909 bis ins Jahr 2004 überdauert. Auf ihrer Grundlage entwickelte die Rechtsprechung weite Teile der nunmehr im UrhG kodifizierten Leistungsschutzrechte. Doch der Einfluss des europäischen Rechts führte zu gewandelten Vorstellungen über Umfang und Funktion lauterkeitsrechtlicher Verbote im Binnenmarkt. Mit der ersten großen UWG-Reform fand neben einer grundlegenden Liberalisierung eine Kodifikation der bis dahin rein richterrechtlich entwickelten Leistungsschutzrechtsprechung statt. Nach verbreiteter Ansicht büßte das Lauterkeitsrecht damit seine „Schrittmacherfunktion“ bzw. seine Funktion als „Jungbrunnen“ und Ergänzung des Urheberrechts ein. Dass die funktionale Nähe beider Rechtsgebiete dennoch nicht der Vergangenheit angehört ist Anlass dieser Forschungsarbeit.

Die einschlägigen Beiträge zum Abgrenzungsproblem lassen eine Auseinandersetzung mit den methodischen Grundlagen der Auflösung von Normkollisionen auf nationaler und europäischer Ebene oftmals vermissen. Dabei stellt sich die Kollisionsproblematik im Grundsatz als Problem der systematischen Rechtsanwendung sowohl im Horizontal-, als auch im Vertikalverhältnis dar. Zu klären ist vor allem, inwiefern im europäisch-deutschen Recht ein einheitliches und folgerichtiges System, ein Rechtssystem, zu erkennen ist. Schon auf nationaler Ebene ist die Frage nach der Systembildung insbesondere aufgrund deren NS-Vergangenheit und des Missbrauchspotentials dieser Methode umstritten. Angesichts des Subsidiaritätsgrundsatzes und des Grundsatzes der begrenzten Einzelermächtigung stellt sich die Frage im Lichte des Europarechts umso dringender.

Dass beide Regelungskomplexe ihre Wirkungen im Binnenmarkt entfalten legt einen wirtschaftsfunktionalen Vergleich nahe. Dabei ist die Frage zu klären, ob das Lauterkeitsrecht einen Beitrag zur Verteilungs- und Fortschrittsfunktion, und damit zur Verwirklichung des Leistungsprinzips leistet, und so eine dem Urheberrecht und den verwandten Schutzrechten vergleichbare Schutzrichtung verfolgt. Eine Funktionsidentität der in Konflikt stehenden Regeln könnte ein Kumulationsverbot nahelegen.

Das Ziel der Arbeit ist Wertungseinheit bzw. Harmonie zwischen Urheberrecht und Lauterkeitsrecht. So sind wertungsmäßig gleiche Fälle innerhalb einer einheitlichen und folgerichtigen Rechtsordnung, einem Rechtssystem, gleich zu behandeln, umgekehrt sind wertungsmäßig verschiedene Fälle nach Maßgabe ihrer Verschiedenheit unterschiedlich zu behandeln. Im konkreten Einzelfall müssen diesem rechtsphilosophischen Fundament der Wertungsjurisprudenz folgend Wertungswidersprüche identifiziert und, im Rahmen der Grenzen zulässiger Rechtsanwendung, aufgelöst werden. Der letzte Teil der Arbeit wird daher Konfliktpotential antizipieren, in Fall-Cluster einteilen und – wenn möglich – auflösen.

Personen

Doktorand/in

Timmy Pielmeier

Doktorvater/-mutter

Prof. Dr. Ansgar Ohly, LL.M. (Cambridge) 

Forschungsschwerpunkte

I.3 Funktionswandel