Ausschnitt des Deckblatts der Zeitschrift Science vom 13. September 2024
Studie  |  16.09.2024

Open Access prägt die wissenschaftliche Kommunikation

Open Access (OA) stellt einen grundlegenden Wandel im wissenschaftlichen Publikationswesen dar und zielt darauf ab, den uneingeschränkten Zugang zu mit Steuergeldern finanzierter Forschung und Daten zu gewährleisten. Mit einer neuen in Science publizierten Studie leisten Frank Mueller-Langer, Affiliated Research Fellow am Institut und Professor an der Universität der Bundeswehr München, und Mark McCabe, Professor an der SKEMA Business School, einen wichtigen Beitrag zum Diskurs über OA, indem sie die wirtschaftlichen, politischen und institutionellen Dynamiken analysieren, die den Wandel des wissenschaftlichen Publizierens bestimmen.

Ausschnitt des Deckblatts der Zeitschrift Science vom 13. September 2024
Deckblatt der Zeitschrift Science vom 13. September 2024

Die Open-Access-Bewegung strebt an, finanzielle Barrieren für den Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen abzubauen. Das wird unterstützt durch internationale Richtlinien wie die Berliner Erklärung (2003) und Initiativen wie die US-amerikanische White House Directive (2022). Bis 2025 müssen alle öffentlich geförderten US-amerikanischen Forschungsergebnisse kostenfrei und ohne Verzögerung zugänglich sein – ein Zeichen für die wachsende globale Bedeutung von OA.


Auswirkungen auf Forschende und Institutionen


Für Forschende ist die Veröffentlichung in renommierten, hochrangigen Fachzeitschriften entscheidend für ihre Karriereentwicklung. Historisch gesehen trugen Universitätsbibliotheken die Kosten für den Zugang zu Forschungsliteratur, was zu drastischen Preiserhöhungen führte – bekannt als „Zeitschriftenkrise“. OA versucht, diese Herausforderungen durch Modelle wie “Gold Open Access” (finanziert durch Artikelbearbeitungsgebühren – sog. APCs) und transformative Vereinbarungen (“Transformative Agreements” – sog. TAs) zu lösen, indem Kosten vom Lesen auf das Publizieren verlagert werden.


Doch die Diskussion ist kontrovers. Kritiker befürchten, dass APC-basierte Systeme die Qualität der Forschung gefährden könnten, indem sie Masse über Klasse stellen. Während OA zwar die Sichtbarkeit und Downloadzahlen erhöht, bleibt der Einfluss auf Zitationsmetriken hingegen moderat. Derweil versuchen transformative Vereinbarungen zwischen Verlagen und Institutionen, Kosten zu begrenzen, zeigen jedoch unterschiedliche Erfolge bei der Förderung von Wettbewerb und Transparenz.


Umfassende Analyse der Auswirkungen von Open Access


Die Autoren untersuchen nun, wie OA-Richtlinien, insbesondere TAs, die Dynamik zwischen Forschenden, Verlagen und Institutionen verändern. Sie heben hervor, dass OA die Sichtbarkeit wissenschaftlicher Arbeiten erhöht, jedoch auch neue Herausforderungen mit sich bringt, wie z.B. die potenziellen Auswirkungen auf die Qualität von Forschung durch APC-basierte Modelle.


Evaluation von Transformative Agreements (TAs)


Ein wesentlicher Fokus liegt auf TAs, bei denen Institutionen Abonnementkosten durch OA-Gebühren ersetzen. Die Autoren analysieren diese Vereinbarungen in Bezug auf ihre Effektivität und Anreizstrukturen, wobei sie aufzeigen, dass viele TAs (außer in Ausnahmefällen wie bei der University of California) keine ausreichenden Mechanismen enthalten, um Kosten effektiv zu kontrollieren.


Betonung von Marktstrukturen und Wettbewerb


Die Studie verdeutlicht, dass der Übergang zu OA sowohl Chancen als auch Risiken für den Wettbewerb zwischen Verlagen birgt. Während APC-basiertes OA theoretisch den Wettbewerb um Einreichungen von wissenschaftlichen Aufsätzen zwischen Verlagen durch sog. Single-Homing-Entscheidungen von Autor*innen verstärken könnte, warnen die Autoren vor der Gefahr, dass OA “Big Deals”, bei denen eine oder mehrere Universitäten und ein einzelner Verlag die APCs für die Veröffentlichung in den Zeitschriften des Verlags aushandeln, die Marktstruktur weiter konzentrieren und Innovation hemmen könnten.


Verknüpfung von Publikationen und Datenanalyse


Die Autoren zeigen auf, wie große Verlage wie Elsevier zunehmend Datenanalyse-Tools in ihr Geschäftsmodell integrieren, was zu einer stärkeren Marktstellung führen könnte. Diese Entwicklung wird kritisch reflektiert, da sie die Unabhängigkeit und den Wettbewerb im Bereich der wissenschaftlichen Datenanalyse beeinflussen könnte.


Politische Empfehlungen und Vorschläge für evidenzbasierte Experimente


Mueller-Langer und McCabe plädieren dafür, politische Maßnahmen wie die US-amerikanische White House Office of Science and Technology Policy (OSTP)-Initiative durch experimentelle Ansätze zu begleiten. Dies könnte dazu beitragen, die Effekte neuer Finanzierungs- und Publikationsmodelle besser zu verstehen und fundierte Richtlinien zu entwickeln.


Fazit


Die Autoren liefern wertvolle Einsichten darüber, wie OA-Strategien das Gleichgewicht zwischen Publikationskosten, Forschungszugang und Qualität beeinflussen könnten. Ihr Artikel unterstreicht die Notwendigkeit einer genauen Beobachtung und Evaluierung der Marktmechanismen, um langfristig eine nachhaltige und wettbewerbsfähige wissenschaftliche Kommunikationslandschaft zu gewährleisten.


Direkt zur Studie:

McCabe, Mark J.; Mueller-Langer, Frank (2024). Open Access Is Shaping Scientific Communication – Funders and Publishers Should Roll Out Policies in Ways to Support Their Evaluation, Science, 385 (6714), 1170-1172. Verfügbar unter https://doi.org/10.1126/science.adp8882

Lucy Xiaolu Wang und Dennis Byrski wurden mit dem Program Chair Award der American Society of Health Economists (ASHEcon) ausgezeichnet.
Studie  |  13.08.2024

Marktzulassung und strategische Praktiken der Patentierung: Erkenntnisse aus der Pharmabranche

Patente sollen Anreize für Innovationen schaffen. Aber Pharmaunternehmen verlängern die Marktexklusivität oft mit Sekundärpatenten auf unwesentliche Produkt­verbesserungen. Solches Verhalten gibt Anlass zu Diskussionen über die Anhebung von Patentierbarkeitsstandards. Für eine neue Studie zum Thema haben Lucy Xiaolu Wang und Dennis Byrski nun den Program Chair Award der American Society of Health Economists (ASHEcon) erhalten.

Lucy Xiaolu Wang und Dennis Byrski wurden mit dem Program Chair Award der American Society of Health Economists (ASHEcon) ausgezeichnet.
Lucy Xiaolu Wang und Dennis Byrski wurden mit dem Program Chair Award der American Society of Health Economists (ASHEcon) ausgezeichnet.

Die neue Studie untersucht, ob Pharmafirmen von der Anmeldung strategischer Patente abrücken, sobald das eigentliche Medikament die Marktzulassung erhält und die damit offengelegten studienbezogenen Informationen zum neuheitsgefährdenden Stand der Technik werden.


Die Autor*innen haben dafür einen neuartigen, dyadischen Datensatz aus Patent- und Medikamentendaten erstellt und bedienen sich einzigartiger europäischer Patent- und Vermarktungszusammenhänge für Arzneimittel. Im Rahmen einer Ereignisstudie machen Sie sich exogene Unterschiede in der Zeitspanne zwischen Patentanmeldung und Marktzulassung zu Nutzen.


Erstens zeigen sie, dass Medikamente mit früher und später Marktzulassung im Vorfeld für Patente und Arzneimittel ähnliche Charakteristika aufweisen. Zweitens stützen sie die Hypothese, dass strategisches Patentierungsverhalten nach der Marktzulassung deutlich abnimmt, während sinnvolle Folgeinnovationen unberührt bleiben. Drittens zeigen sie, dass diese Effekte wahrscheinlich auf Hindernisse bei der Durchsetzbarkeit marginaler Patente nach der Marktzulassung zurückzuführen sind.


Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass eine Erhöhung der Patentierbarkeitsstandards nach Marktzulassung in Verbindung mit einer genaueren Patentprüfung und der Selbstregulierung von Unternehmen wohlfahrts­steigernd sind. Sie betonen die Bedeutung besserer Daten für die Patentprüfung, um die Qualität von Folge­innovationen zu erhöhen.


Lucy Xiaolu Wang war Senior Research Fellow am Institut und ist jetzt Assistenzprofessorin mit Tenure-Track-Status an der University of Massachusetts Amherst. Als Affiliated Research Fellow ist sie dem Institut weiterhin eng verbunden.


Dennis Byrski war Junior Research Fellow am Institut. Im Jahr 2021 legte er seine Dissertation mit dem Titel “From Scientific Research to Healthcare Markets - Empirical Essays on the Economics of Pharmaceutical Innovation” vor. Er ist jetzt Junior Engagement Manager bei McKinsey & Company.


Die American Society of Health Economists ist eine Fachorganisation, die sich der Förderung von Spitzenleistungen in der gesundheitsökonomischen Forschung widmet. Ihr Ziel ist, die Gesundheit sowohl der Einzelnen als auch der Gesellschaft als Ganzes zu verbessern, indem sie Erkenntnisse und Expertise für die Entwicklung privater und öffentlicher Maßnahmen bereitstellt. Mit den ASHEcon Awards werden Personen ausgezeichnet, die einen bedeutenden Beitrag zum Bereich der Gesundheitsökonomie geleistet haben.


Direkt zur Veröffentlichung:
Byrski, Dennis; Wang, Lucy Xiaolu (2024). Marktzulassung und strategische Patentierung: Evidence from Pharmaceuticals. Verfügbar unter https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=4638115.


Weitere Informationen:
ASHEcon Preisträger 2024

SDG 3: Good Health and Well-being
Studie  |  07.08.2024

Verbesserung von Gesundheit und Wohlergehen durch Data Governance

Im Rahmen des Projekts Data Governance in Emerging Economies to Achieve the Sustainable Development Goals ist ein zweiter Bericht erschienen – dieses Mal gemeinsam mit Forschenden aus Indien. Der Fokus liegt hier auf dem Nachhaltigen Entwicklungsziel 3 (SDG 3) der Vereinten Nationen, das ein gesundes Leben und die Förderung des Wohlergehens für alle Menschen sicherstellen soll.

Teilnehmende des Workshops in Bengaluru, Indien
Teilnehmende des Workshops in Bengaluru, Indien
SDG 3: Good Health and Well-being
Nachhaltiges Entwicklungsziel 3: Gesundheit und Wohlbefinden

Das internationale Projekt Data Governance in Emerging Economies to Achieve the Sustainable Development Goals liefert mit seinen Erkenntnissen Beiträge zur Diskussion, wie der Umgang mit Daten besonders in Wachstumsregionen dazu genutzt werden kann, die nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen zu erreichen. Gemeinsam mit Forschenden aus Indien wird die Data-Governance-Landschaft im indischen Gesundheitssektor untersucht.  Im jetzt erschienen Bericht finden sich vorläufige Ergebnisse sowie Fragen zur Festlegung einer Forschungsagenda, die auf den Erkenntnissen des im September 2022 in Bengaluru veranstalteten Multistakeholder-Workshops aufbaut.


Der Bericht wurde im spezifischen Kontext des SDG 3 verfasst und unterstreicht die Rolle der Data Governance für gute Gesundheit und Wohlergehen in Indien. Nach einer kurzen Einführung in das Projekt folgen vier weitere Abschnitte. Zunächst wird ein detaillierter Hintergrund zur Auswahl von SDG 3 und Indien für die Untersuchung von Data Governance in Wachstumsregionen geliefert. Der zweite Abschnitt bietet einen Überblick über den bestehenden rechtlichen Rahmen für Data Governance in Indien. Neben der Analyse von Open-Data-Initiativen werden in diesem Abschnitt die rechtlichen und gesetzgeberischen Schritte zum Schutz personenbezogener Daten dargestellt und die laufenden Bemühungen zur gesetzlichen Regelung der gemeinsamen Nutzung nicht personenbezogener Daten hervorgehoben. Die Erkenntnisse aus dem Workshop werden im nächsten Abschnitt genutzt, um die Rolle des öffentlichen Sektors, des privaten Sektors und von Start-ups bei der Bestimmung des Umfangs der Data Governance im indischen Gesundheitswesen zu untersuchen. Der letzte Abschnitt fasst die Ergebnisse zusammen und unterstreicht die Bedeutung eines Data-Governance-Rahmens für die Erreichung der Ziele für eine nachhaltige Entwicklung, insbesondere von SDG 3 in Indien. Abschließend stellen die Wissenschaftler*innen eine Reihe von Fragen, die darauf abzielen, eine Forschungsagenda zu entwickeln, die zum Aufbau eines Rahmens für Data Governance in Wachstumsregionen wie Indien beitragen soll.


Als Ergebnis der Forschung und der partizipativen Diskussion mit den Interessenvertretern weist der Bericht darauf hin, dass ein stärkere Beteiligugng aller Interessenvertretungen notwendig ist, um einen angemessenen Data-Governance-Rahmen zu entwickeln. Das schließt auch Maßnahmen ein, die die rechtlichen Rechte und Pflichten der Interessenvertretretungen festlegen, ist aber nicht darauf beschränkt. Die institutionellen und technischen Aspekte der Data Governance werden als wesentliche Ergänzung betrachtet. Generell deuten die Überlegungen im Rahmen des Projekts darauf hin, dass ein Data-Governance-Ansatz, der in engem Zusammenhang mit dem SDG-Rahmen entwickelt wird, erhebliche Vorteile für die Rechtsforschung und die Politikformulierung mit sich bringt.


Arul George Scaria, Vikas Kathuria, Shraddha Kulhari, Vidya Subramanian
Data Governance in Emerging Economies to Achieve the Sustainable Development Goals
India Country Report Based on the Workshop Data Governance for Good Health & Well-Being: India’s Way Forward to Achieving Sustainable Development Goal 3 (Bengaluru, September 8-9, 2022)

Max Planck Institute for Innovation & Competition Research Paper No. 24-08


Mor Bakhoum, Begoña Gonzalez Otero, Jörg Hoffmann, Minata Sarr
Data Governance in Emerging Economies to Achieve the Sustainable Development Goals
Senegal Country Report Based on the Workshop Shaping Data Sharing Policies in the Agricultural and the Financial Services Sector (Dakar, March 16-17, 2022)

Max Planck Institute for Innovation & Competition Research Paper No. 24-05

Teilnehmende des Dakar-Workshops, Senegal, 17.03.2022
Studie  |  28.02.2024

Nachhaltige Entwicklung im Senegal durch Data Governance

Wie der Umgang mit Daten dazu dienen kann, eine nachhaltige Entwicklung in Wachstumsregionen zu erreichen, haben Forschende des Instituts gemeinsam mit Wissenschaftler*innen aus dem Senegal untersucht und nun einen Bericht vorgelegt.

Teilnehmende des Dakar-Workshops, Senegal, 17.03.2022
Teilnehmende des Workshops, Senegal, 17.03.2022. Foto: Begoña Gonzalez Otero
UN Sustainable Development Goals Wheel
UN Sustainable Development Goals

Grundlage waren die Ergebnisse eines Workshops, der im März 2022 in Dakar (Senegal) stattfand. Dieser war Teil des umfassenderen internationalen Projekts “Data Governance in Emerging Economies to Achieve the Sustainable Development Goals (SDGs)”, das untersucht, welche Chancen und Möglichkeiten Data Governance bietet, um die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen zu erreichen.


Der vierteilige Bericht enthält eine umfassende Bewertung der senegalesischen Rechtsvorschriften für den Zugang zu und die gemeinsame Nutzung von Daten (Teil I), die die Grundlage für eine detaillierte Untersuchung der Ausrichtung dieses Rechtsrahmens auf die SDGs bildet. Die Praktiken des Agrarsektors zur gemeinsamen Nutzung von Daten und ihr potenzieller Beitrag zu Wirtschaftswachstum und nachhaltiger Entwicklung werden in Teil II beleuchtet, gefolgt von einer Untersuchung der Herausforderungen und Chancen der Datenverwaltung für Finanzdienstleistungen im digitalen Zeitalter (Teil III). Teil IV fasst die Diskussionen des Workshops zusammen und bietet wertvolle Erkenntnisse, Schlussfolgerungen und zukunftsweisende Empfehlungen.


Diese wissenschaftliche Arbeit leistet einen wichtigen Beitrag zum laufenden Diskurs über Data Governance und ihre zentrale Rolle bei der Verwirklichung der SDGs. Die hier vorgestellten nuancierten Analysen und Erkenntnisse dienen als wertvolle Quelle für politische Entscheidungsträger*innen, Forschende und Anwender*innen, die an der Schnittstelle von Data Governance, Entwicklung und Nachhaltigkeit tätig sind. Darüber hinaus bieten die skizzierten Empfehlungen und die geplante Forschungsagenda einen Fahrplan für zukünftigen Bemühungen der Forschenden, die darauf abzielen, Data Governance in Schwellenländern voranzutreiben und sich an der Vision des UN AI Advisory Board zu orientieren, Künstliche Intelligenz zur Förderung des Gemeinwohls zu regulieren.


Mor Bakhoum, Begoña Gonzalez Otero, Jörg Hoffmann, Minata Sarr
Data Governance in Emerging Economies to Achieve the Sustainable Development Goals Senegal Country Report Based on the Workshop Shaping Data Sharing Policies in the Agricultural and the Financial Services Sector (Dakar, March 16-17, 2022)
Max Planck Institute for Innovation & Competition Research Paper No. 24-05

EU-Kommission Brüssel
Stellungnahme  |  07.02.2024

Stellungnahme zum Vorschlag der EU-Kommission für eine Verordnung über standardessentielle Patente

In der  Stellungnahme vom 6. Februar 2024 zum Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung über standardessentielle Patente (SEP) untersucht das Institut den Vorschlag auf seine Eignung, die Herausforderungen der SEP-Lizenzierung im Kontext des Internet der Dinge zu bewältigen und zu einer ausgewogenen globalen SEP-Lizen­zierung beizutragen. Hieraus werden rechtspolitische Empfehlungen abgeleitet.

EU-Kommission Brüssel
EU-Kommission Brüssel. Foto: Hella Schuster

Am 27. April 2023 legte die Europäische Kommission ihren Vorschlag vor. Ziel der Ver­ordnung ist es, den SEP-Lizen­zierungs­rahmen zu verbessern, indem die Trans­parenz bei Lizenz­verhand­lungen erhöht und Trans­aktions­kosten gesenkt werden. Dabei sind ins­beson­dere (1) die Ein­richtung eines Registers für SEPs mit Wesent­lichkeits­prüfungen aus­gewählter und re­präsen­tativer Stich­proben von SEPs, (2) die Ein­führung eines Ver­fahrens zur Fest­legung unverbind­lichen Gesamt­lizenz­gebühren und (3) ein vor­gericht­liches Schlich­tungs­ver­fahren zur Fest­le­gung von FRAND-Lizenz­gebühren vor­gesehen. Institu­tionell soll ein neues Kompetenz­zentrum innerhalb des Europäischen Amtes für geistiges Eigen­tum (EUIPO) mit der Durch­führung dieser Aufgaben betraut werden.

Symbolbild Genomeditierung. Bild: vchalup/Adobe Stock
Stellungnahme  |  10.08.2023

Stellungnahme zu neuen Genom-Editierungs­techno­logien und Fragen des Immaterial­güter­rechts

Eine neue Stellung­nahme des Instituts befasst sich mit Fragen zu Immaterial­güter­rechten für Genom-Editierungs­techno­logien und genom-editierte Pflanzen in der EU. Sie enthält eine Reihe politischer Empfehlungen zur Erleichterung des Zugangs zu und der Nutzung von immaterial­güter­rechtlich geschützten Genom-Editierungs­techno­logien und ihren Erzeugnissen im Pflanzenzüchtungssektor.

Symbolbild Genomeditierung. Bild: vchalup/Adobe Stock
Symbolbild Genomeditierung. Bild: vchalup/Adobe Stock

Am 5. Juli 2023 hat die Europäische Kommission einen Verordnungsvorschlag vorgelegt, mit dem in der EU die Anforderungen für die Markt­zulassung von Pflanzen gelockert werden sollen, die durch einige neue genomische Techniken (sogenannte NGTs, New Genomic Techniques) gewonnen werden. Es wird erwartet, dass NGTs für Züchter und Landwirte attraktiver werden. Jedoch kann die Komplexität der Immaterial­güter­rechte im Bereich NGTs und der ent­sprechenden Produkte sich negativ auf Inno­vationen auswirken. Angesichts zahlreicher Bedenken bezüglich des Immaterial­güter­rechts­schutzes für NGTs und entsprechende Pflanzen hat eine Forschungsgruppe des Instituts eine Reihe politischer Empfehlungen erarbeitet, die den Zugang zu und die Nutzung von derartigen Technologien und Produkten im Pflanzenzüchtungssektor erleichtern können.


Direkt zur Stellungnahme:
Position Statement (8 August 2023) on New Genomic Techniques and Intellectual Property Law: Challenges and Solutions for the Plant Breeding Sector


Mehr zum Thema:
CRISPR/Cas Technology and Innovation: Mapping Patent Law Issues

Valentina Moscon
Studie  |  24.07.2023

Freier Zugang versus exklusive Kontrolle in der europäischen Datenregulierung

Valentina Moscon, wissenschaftliche Referentin am Institut, erkennt in ihrem neuesten Artikel einen Trend in der europäischen Daten­regu­lie­rung. Dieser geht hin zur Schaffung von Datenexklusivität durch Ur­heber­recht und technische Schutzmaßnahmen und läuft dem An­spruch des freien Zugangs zu Daten ent­gegen.

Valentina Moscon
Dr. Valentina Moscon, wissenschaftliche Referentin am Institut

Moscon nutzt Fallstudien – konkret die Regelung von Text- und Data-Mining (TDM) in der EU-Urheberrechtsrichtlinie von 2019 und das kommende EU-Datengesetz, das den Zugang zu IoT-Daten regelt – um zu analysieren, in welcher Art und Weise sich der erkannte Trend bereits durchsetzt und wo dieser im Widerspruch sowohl zu etablierten Grundsätzen des europäischen und internationalen Urheberrechts als auch zur ausgewogenen Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten steht.


Einerseits zeigt der Fall des Text- und Data-Mining, dass sich der Geltungsbereich des Urheberrechts ausweitet, und es ist anzunehmen, dass private Ordnungsmechanismen wie technische Schutzmaßnahmen (TPMs), die es den Rechteinhabern ermöglichen, ausschließliche Rechte auszuüben, diesen Geltungsbereich noch weiter ausdehnen –  über den Bereich der Werke hinaus auf den Bereich der Daten. Andererseits lassen neue Gesetzesinitiativen zur Regulierung des Zugangs zu Daten – mit Ausnahme des sui generis Datenbankrechts – die Rechte des geistigen Eigentums unberührt, so dass es wahrscheinlich zu einer Kollision zwischen den Vorschriften über den Datenzugang und den ausschließlichen Rechten der Inhaber von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten kommen wird. Außerdem führt der Vorschlag für ein Datengesetz den Schutz technischer Schutzmaßnahmen für Daten ein, wodurch die ausschließliche Kontrolle über Daten weiter gestärkt wird. Schließlich formuliert Moscon in ihrem Beitrag einige konkrete Handlungssvorschläge.


Valentina Moscon
Data Access Rules, Copyright and Protection of Technological Protection Measures in the EU. A Wave of Propertisation of Information
Max Planck Institute for Innovation & Competition Research Paper No. 23-14

Studie  |  17.07.2023

Mehr Transparenz und das Recht auf Open Data

In seinem aktuellen Diskussionspapier untersucht Heiko Richter, wissenschaftlicher Referent am Institut, zwei Ziele des Koalitionsvertrags der Ampel-Regierung: die Informations­freiheitsgesetze zu einem Bundes­transparenz­gesetz weiterzuentwickeln und einen Rechtsanspruch auf Open Data einzuführen.

Dabei fragt er, was genau diese Ziele bedeuten und inwiefern sie sich sinnvoll ver­binden lassen. Weiter arbeitet Richter konkrete Reform­möglichkeiten aus, die einen Paradigmen­wechsel behut­sam herbeiführen würden. Schließlich befürwortet er, dass Ansprüche auf Informations­­veröffent­lichung und Daten­bereitstellung gesetzlich normiert werden, weil sie tragende Funktionen in einer freien und digitalen Gesellschaft übernehmen.


Zunächst analysiert der Beitrag eingehend bereits bestehende Open-Data-Regeln und Transparenzgesetze in Deutschland. Die Ergebnisse der Analyse und Diskussion werden abschließend übersichtlich als konkrete Handlungsempfehlungen in sieben Thesen vorgestellt. Dabei schlägt Richter zwei mögliche Varianten vor: Der als „kleine Lösung“ bezeichnete Erlass eines Bundestransparenzgesetzes mit „Open-Data-Verlängerung“ und korrespondierenden Ansprüchen. In einer umfassenderen „großen Lösung“ würde zusätzlich zur kleinen Lösung ein gemeinwohlbezogener Anspruch auf Open Data nach § 12a EGovG gesetzlich verankert.


Heiko Richter
Transparenzgesetz des Bundes und „Rechtsanspruch auf Open Data“ Konzeptionelle Perspektiven jenseits der Neuerfindung des Rades
(Federal Transparency Law and “Right to Open Data”: Conceptual Perspectives Beyond the Reinvention of the Wheel)

Max Planck Institute for Innovation & Competition Discussion Paper No. 22

Collage aus dem Schriftzug Podcast mit Bild eines Mikrophons und Porträtphoto des Forschers Timm Opitz
Studie  |  01.06.2023

Gegen die Uhr klicken – Wie Zeitdruck und Bedauern unser Verhalten beim Online-Shopping beeinflussen

In einer neuen Podcast-Episode erklärt Timm Opitz, wie Zeit­druck und Bedauern unser Such­verhalten in der Welt des Online-Shopping beein­flussen können. Er gibt Einblicke in seine Forschungs­arbeit “Time Pressure and Regret in Sequential Search”, in der er die Aus­wirkun­gen von Dringlichkeit und Bedauern auf das opti­male Such­ver­halten an­hand von Ex­peri­menten in einer kon­trollier­ten Um­gebung unter­sucht.

Collage aus dem Schriftzug Podcast mit Bild eines Mikrophons und Porträtphoto des Forschers Timm Opitz
Timm Opitz spricht im Wissenschaftspodcast Game Changer

Im Podcast stellt er auch einige Stra­te­gien vor, mit denen wir den Einfluss von Druck und Be­dauern auf unser Ein­kaufs­ver­halten über­winden können.


Timm Opitz ist Junior Research Fellow und Doktorand in der wirtschaftswissenschaftlichen Abteilung Innovation and Entrepreneurship Research des Instituts. Seine Forschungs­schwer­punkte sind Entre­preneur­ship, verhaltens­orientiertes Markt­design und Ent­wicklungs­psychologie.


Wahrgenommene Dringlichkeit und Bedauern sind bei vielen sequentiellen Suchprozessen zu beobachten. So üben Verkäufer bei der Suche nach dem besten Angebot oft Druck auf Kunden aus, und zwar sowohl in zeitlicher Hinsicht als auch in Bezug auf das potenzielle Bedauern über den Verzicht auf einmalige Kaufangebote. Theoretisch führen diese Strategien zu antizipiertem und erlebtem Bedauern, was sich systematisch auf das Suchverhalten auswirkt und somit die optimale Suche verzerrt. Darüber hinaus kann die Dringlichkeit den Entscheidungsprozess und damit auch die Stärke des Bedauerns verändern.


Um die empirische Relevanz dieser Aspekte zu verstehen, untersucht Timm Opitz mit seinen Koautoren die kausalen Effekte von Bedauern, Dringlichkeit und deren Wechselwirkung auf das Suchverhalten im Experiment. Empirisch zeigt sich, dass antizipiertes Bedauern das Suchverhalten weder mit noch ohne Zeitdruck beeinflusst, während erlebtes Bedauern zu systematischen Anpassungen der Suchdauer führt. Dringlichkeit reduziert die Entscheidungszeit und die wahrgenommene Entscheidungsqualität, verändert aber nicht generell die Suchdauer. Nur sehr unerfahrene Kunden kaufen unter Druck früher. Daher können Verbraucher­schutz­maß­nahmen gegen Impulskauftaktiken vor allem unerfahrenen Verbraucher*innen helfen.


Hier geht es direkt zum Podcast (auf Englisch).


Hier zur vollständigen Publikation:


Klimm, Felix; Kocher, Martin G.; Opitz, Timm; Schudy, Simeon A. (2023).
Time Pressure and Regret in Sequential Search
Journal of Economic Behavior & Organization, 206, 406-424

Stellungnahme  |  03.05.2023

Stellungnahme zur Implementierung des Gesetzes über digitale Märkte

Der Digital Markets Act (DMA) trat am 1. November 2022 in Kraft und gilt seit dem 2. Mai 2023. Sein Ziel ist es, in der gesamten EU bestreit­bare und faire Märkte im digi­talen Sektor, auf denen Gate­keeper tätig sind, zu gewähr­leisten. In seiner Stellung­nahme vom 2. Mai 2023 erkennt das Institut an, dass ein­heitliche Regeln für zentrale Platt­form­dienste und eine zentra­lisierte Durch­setzung not­wendig sind, um eine Frag­mentierung des Binnen­marktes zu verhindern. Es hat jedoch weiter­hin Bedenken hin­sicht­lich der einzig­artigen institutio­nellen Aus­gestaltung des DMA und der Inter­aktion des DMA mit anderen Normen, wie in den Artikeln 1(5), 1(6) und 1(7) fest­gelegt wird.

Symbolic image: Digital Markets, photo: geralt/Pixabay

Insbesondere macht das Institut auf mögliche, zu weitreichende, Sperr­wirkungen des DMA auf nationale Regelungen aufmerksam. Diese könnten unbeabsichtigte Folgen haben, indem sie künftige nationale Gesetzesinitiativen gefährden, dadurch Gatekeeper privilegieren und letztlich die Bestreitbarkeit und Fairness auf digitalen Märkten behindern. Eine ergänzende Anwendung der Wettbewerbsregeln und eine wirksame Durchsetzung des DMA ist vor diesem Hintergrund umso wichtiger. Es besteht jedoch Unsicherheit über staatliche Rechtsdurchsetzungsmechanismen, und es ist weiterhin unklar, welche Rolle die private Rechtsdurchsetzung spielt. In der Stellungnahme werden Herausforderungen bei der Umsetzung des DMA aufgezeigt und untersucht, sowie konkrete Lösungsempfehlungen gegeben.


Position Statement of the Max Planck Institute for Innovation and Competition of 2 May 2023 on the Implementation of the Digital Markets Act (DMA)

Digital Markets Act (DMA)

Commission Implementing Regulation for the DMA of 14 April 2023