Studie  |  04.02.2022

Muss das Urheberrecht im wissenschaftlichen Bereich neu definiert werden?

In einer rechts­vergleichenden Studie unter­suchen Valentina Moscon und Marco Bellia die Rege­lungen zum Urheber­recht für das aka­de­mische Publi­kations­wesen in Italien, Deutsch­land und den USA. Dabei stellen sie bekannte Ansätze vor und kommen zu einem Lösungs­vor­schlag, der ein faireres und effi­zien­teres Publi­kations­wesen verspricht.

Eine seit vielen Jahren andauernde Diskussion über Urheberrecht im wissenschaftlichen Publikationswesen zeigt, welche Rolle das Urheberrecht einnimmt und auch welche dysfunktionalen Auswirkungen es hier hat.


Die Interessen kommerzieller Verlage und anderer Informationsanbieter unterscheiden sich von denen akademischer Autoren, wobei erstere in der Regel eine Strategie der Gewinnmaximierung verfolgen, während letztere einen breiten Zugang, eine offene und rechtzeitige Verbreitung sowie die Weiterverwendung wissenschaftlicher Ergebnisse sicherstellen wollen. Zudem wird Forschung in aller Regel durch Dritte finanziert, so dass akademische Autor*innen nicht primär auf ein Einkommen aus Veröffentlichungen angewiesen sind – Forschende publizieren in erster Linie um ihre Reputation zu verbessern und ihre Karriere voranzutreiben.


In diesem Zusammenhang lenkt der Beitrag von Valentina Moscon (Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb) und Marco Bellia (Università Cattolica del Sacro Cuore) die Aufmerksamkeit auf mögliche neue Modelle, die ein faireres und effizienteres wissenschaftliches Publikationswesen versprechen. Nach einer Betrachtung des rechtlichen Hintergrunds in Italien, Deutschland und den USA ziehen die Autoren verschiedene Maßnahmen in Betracht, von denen einige bereits auf nationaler Ebene ergriffen wurden. Bei diesen Maßnahmen kann es sich um private Eingriffe handeln, wie beispielsweise Verträge und Richtlinien der Hochschulen, oder um öffentliche, also gesetzgeberische Eingriffe. Letztere umfassen Maßnahmen außerhalb oder innerhalb des Urheberrechtssystems.


“International Instrument” als Modell für eine faire Lösung


Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass es die beste Lösung ist, die Grenzen des Urheberrechtes neu zu definieren, indem der Umfang der erlaubten Nutzungen erweitert und gleichzeitig deutlicher festgelegt wird. Dies würde zu einer ausgewogeneren Funktionsweise des akademischen Publikationssystems führen. Ein Vorschlag in diese Richtung kommt von einer Urheberrechtsexperten-Gruppe,  die das International Instrument on Permitted Uses in Copyright Law entworfen hat. Zu dieser Gruppe gehört auch Valentina Moscon. Dieses Instrument, das in Form eines internationalen Abkommens konzipiert ist, hat das Ziel, ein ausgewogeneres System für den Umfang des internationalen Urheberrechtsschutzes zu schaffen. Neben anderen Bestimmungen enthält es ausdrücklich Regeln für zulässige Nutzungen im akademischen Bereich, einschließlich Nutzungen im Rahmen von Recherchen, Datenanalysen, Bildungszwecken und zur Verarbeitung von Werken durch Bibliotheken, Museen und Archive.


Zur Publikation:

Marco Bellia, Valentina Moscon
Academic Authors, Copyright and Dissemination of Knowledge: A Comparative Overview
Max Planck Institute for Innovation & Competition Research Paper No. 21-27

Was sagen uns Laborkatastrophen über die Bedeutung von physischem Kapital für die Forschung?
Studie  |  01.10.2021

Was verraten uns Laborkatastrophen über die Bedeutung von Sachkapital für die Forschung?

Die Forschung hat sich bisher weitgehend auf die wichtige Rolle von Humankapital bei der Schaffung von Wissen konzentriert. In einer neuen Studie wird nun die Rolle von Sachkapital bei der Wissensproduktion untersucht, wobei Laborkatastrophen wie Explosionen, Brände und Überschwemmungen als natürliches Experiment dienen. Die Ergebnisse liefern wichtige Hinweise für die Wissenschafts- und Innovationspolitik.

Die Autoren der Studie ermitteln die Bedeutung von Sachkapital für die Wissensproduktion. Dafür betrachten sie widrige Ereignisse (Explosionen, Brände, Überschwemmungen usw.) in Forschungseinrichtungen als exogene Schocks für den Bestand an Sachkapital. Forschende erfahren einen erheblichen und anhaltenden Rückgang ihrer Forschungsleistung, wenn sie spezialisiertes Sachkapital verlieren, d.h. Instrumente und Materialien, die sie im Laufe der Zeit für einen bestimmten Forschungszweck geschaffen haben. Im Gegensatz dazu erholen sie sich schnell, wenn sie nur allgemeines Sachkapital verlieren. Betroffene Forschende in älteren Laboren, die vermutlich mehr veraltetes Sachkapital verlieren, ändern eher ihre Forschungsrichtung und erholen sich in ihrer wissenschaftlichen Produktivität. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Investitionen von Forschenden in eigenes Sachkapital dauerhafte Erträge bringen, aber auch eine Pfadabhängigkeit in Bezug auf ihre Forschungsrichtung schaffen.


Die Studie legt nahe, dass die Wissenschafts- und Innovationspolitik die Rolle des Sachkapitals bei der Wissensproduktion stärker berücksichtigen sollte.


Direkt zur Publikation von
Stefano Baruffaldi und Fabian Gaessler
The Returns to Physical Capital in Knowledge Production: Evidence from Lab Disasters
Max Planck Institute for Innovation & Competition Research Paper No. 21-19

Schmuckbild
Stellungnahme  |  09.09.2021

KI-Systeme als Erfinder?

Die Frage, ob KI-Systeme als Erfinder anerkannt werden können und sollten, wurde bereits weltweit diskutiert. Angesichts der sich abzeichnenden Rechtsprechung zu diesem Thema, hat das Institut eine Stellungnahme veröffentlicht.

Die Stellungnahme beleuchtet die Argumente, die in der jüngsten Entscheidung des australischen Bundesgerichtshofs für dieses Vorgehen angeführt werden, kritisch und hebt hervor, dass sie auf fragwürdigen Annahmen beruhen – zum einen hinsichtlich der technischen Möglichkeiten Künstlicher Intelligenz, zum anderen hinsichtlich des angeblich positiven Einflusses einer entsprechenden Anerkennung auf Innovationen. Im Allgemeinen wird betont, dass zunächst die Frage geklärt werden sollte, ob Erfindungen, die vermeintlich durch KI generiert wurden, überhaupt Patentschutz genießen sollten.


Stellungnahme als pdf

Stellungnahme  |  08.09.2021

KI-Systeme als Erfinder?

Stellungnahme des Max-Planck-Instituts für Innovation und Wettbewerb vom 7. September 2021

Verschiedenes  |  30.08.2021

Macht im digitalen Raum: Verfassungsblog und Institut veranstalten Online-Symposium

Sind der Digital Services Act und der Digital Markets Act geeignete Instrumente, um private Macht im digitalen Raum zu regulieren? Dieser Frage geht ein Online-Symposium des Verfassungsblogs und des Instituts nach. Am 30. August startet die Veröffentlichung einer Serie von 15 Blogbeiträgen, die den wissenschaftlichen Diskurs zu dem Thema einem breiteren Publikum nahebringt.

Die Konzentration von privater Macht im digitalen Raum ist nicht länger tragbar – darüber besteht Einigkeit diesseits und jenseits des Atlantiks. Doch wie reguliert man Formen privater Macht wie Marktmacht oder die Macht über Meinungen? Obwohl es keinen transatlantischen Konsens darüber gibt, wie geeignete Lösungen aussehen könnten, ist ein klarer Trend zu regulatorischen Eingriffen erkennbar. Mit dem Digital Services Act (DSA) und dem Digital Markets Act (DMA) hat die Europäische Kommission im Dezember 2020 zwei Gesetzesvorschläge präsentiert, die in dieser Legislaturperiode die Orientierungspunkte in der europäischen Digitalpolitik bilden.
 

Anlässlich der Gesetzgebungsvorhaben veranstaltet das Institut gemeinsam mit dem Verfassungsblog ein Online-Symposium zum Thema “To Break Up or Regulate Big Tech? Avenues to Constrain Private Power in the DSA/DMA Package“. In 15 Blogbeiträgen diskutiert ein diverses Feld von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unterschiedliche Facetten des Themas. Die Beiträge richten sich an ein breiteres Publikum und werden ab dem 30. August sukzessive auf der Website des Verfassungsblogs veröffentlicht.


Alle Blogbeiträge finden Sie hier.

Max-Planck-Institut für Innovation und WettbewerbGI-Projekt, Geographische Herkunftsangaben, Geographical Indications, GI
Studie  |  03.08.2021

Schutz Geographischer Herkunftsangaben: Weitere Schritte in der GI-Forschungsagenda des Instituts

Nachdem die Auswirkungen Geographischer Herkunftsangaben bislang kaum erforscht sind, hat das Institut 2018 eine eigene Forschungsinitiative zu dem Thema ins Leben gerufen. Eine Forschungsgruppe untersucht verschiedene Ansätze zum Schutz Geographischer Herkunftsangaben in der Europäischen Union und in lateinamerikanischen Ländern.

Max-Planck-Institut für Innovation und WettbewerbGI-Projekt, Geographische Herkunftsangaben, Geographical Indications, GI
Eine Forschungsgruppe des Instituts untersucht seit 2018 die Auswirkungen Geographischer Herkunftsangaben in der EU und in Lateinamerika

Geographische Herkunftsangaben (Geographical Indications, GIs) sind Bezeichnungen für Produkte aus bestimmten Regionen, die ihre Qualität oder Reputation ihrer geographischen Herkunft verdanken. Indem sie zur Qualitätsdifferenzierung von lokalen Produkten dienen, erhalten entsprechende Waren mehr Beachtung im Markt und erzielen meist höhere Preise. Auf diese Weise sind Geographische Herkunftsangaben wichtige Mittel, um die wirtschaftliche Entwicklung insbesondere im ländlichen Raum zu fördern.


Obwohl die weltweite Aufmerksamkeit für GIs wächst – sowohl von Seiten der Politik als auch der Ökonomie – gibt es bislang nur wenig rechtswissenschaftliche Forschung zu dem Thema. Das Institut, das bereits seit vielen Jahren in dem Bereich forscht, hat deswegen 2018 eine eigene Forschungsagenda ins Leben gerufen, die Geographische Herkunftsangaben tiefgreifend untersucht. Die Initiative geht in zwei verschiedene Richtungen: Sie nimmt zum einen eine Gesamtbetrachtung des GI-Systems der Europäischen Union vor, zum anderen untersucht sie das Potenzial von GI-Systemen in Lateinamerika.


Gesamtbewertung des GI-Systems in der EU


Innerhalb der Europäischen Union gibt es seit 1992 ein einheitliches Schutzsystem für Geographische Herkunftsangaben für landwirtschaftliche Produkte und Lebensmittel. Unterschieden werden zwei Arten Geographischer Herkunftsangaben: Sogenannte Protected Geographical Indications (PGIs) und Protected Designations of Origin (PDOs). Beide genießen den gleichen Schutzumfang, unterscheiden sich jedoch hinsichtlich der Anforderungen an die Registrierung und Aufrechterhaltung. 


Obwohl sich das europäische GI-System in der Praxis bewährt hat, besteht die Notwendigkeit, seine allgemeine Funktionsweise während der vergangenen drei Jahrzehnte besser zu verstehen. Eine Forschungsgruppe mit fünf Mitgliedern hat deswegen eine umfassende qualitative und quantitative Untersuchung der vorhandenen Daten vorgenommen.


In einem ersten Schritt führten die Mitglieder der Gruppe eine statistische Analyse aller PGIs und PDOs durch, die zwischen 1996 und 2019 im Rahmen des EU-Schutzsystems für landwirtschaftliche Erzeugnisse und Lebensmittel registriert wurden. Die Datenquelle für diese Analyse war das sogenannte “Single Document”. Als Kern jedes Antrags auf Eintragung einer Geographischen Herkunftsangabe enthält dieses unter anderem eine Definition der geographischen Region, eine Beschreibung der Produktionsmethode und Details über den sogenannten “Origin Link” – den kausalen Zusammenhang zwischen dem Produkt und der geographischen Region. Weitergehende Untersuchungen zu Backwaren und Kartoffeln bezogen im Rahmen einer qualitativen Auswertung auch die komplette Spezifikation ein. Die Untersuchung ergab eine Verbesserung der Qualität und Genauigkeit der angegebenen Informationen, insbesondere über die Verbindung zwischen Region und Produkt.


Obwohl die Anforderungen an den Erhalt eines GI-Schutzes und die wichtigsten Verfahrensregeln innerhalb der EU vereinheitlicht wurden, sind auch die nationalen Behörden weiter in den Registrierungsprozess einbezogen. Weitere Untersuchungen der nationalen Regeln und zugehörigen Verfahren in ausgewählten Ländern ergaben, dass nationale Ansätze und Eigenheiten die Funktionsfähigkeit eines einheitlichen Schutzsystems beeinträchtigen könnten.


Im Jahr 2018 kündigte die Europäische Kommission an, das gegenwärtige GI-Schutzsystem auf nicht-landwirtschaftliche Produkte ausweiten zu wollen. Für diese existieren Schutzmöglichkeiten bislang nur auf nationaler Ebene. Im Vorgriff auf einen Vorschlag der EU untersuchten die Forschenden einige der nationalen Schutzsysteme um herauszufinden, ob das gegenwärtige EU-System mit seinen PGIs und PDOs auch für nicht-landwirtschaftliche Produkte passend sein könnte. Die Erkenntnisse deuten darauf hin, dass eine Ausweitung des bestehenden Systems – mit einigen prozessualen Anpassungen – funktionieren könnte.


In einem nächsten Schritt ist – in Zusammenarbeit mit der Universität von Alicante und der EUIPO – eine Untersuchung der Schnittstelle zwischen dem GI-System und dem Markensystem, inklusive Kollektivmarken und Gütesigel, geplant.


Untersuchung der GI-Systeme in Lateinamerika


Wegen ihres Potenzials, die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in Produktionsregionen zu fördern, spielen Systeme zur Qualitätsdifferenzierung für lateinamerikanische Länder eine besonders wichtige Rolle. Eine herkunftsbasierte Produktion, einschließlich des verarbeitenden Gewerbes, des Kunsthandwerks und insbesondere der Lebensmittelproduktion, ist für ihre Wirtschaft von wesentlicher Bedeutung, allem voran für kleine Produzenten, Handwerker und Kleinbauern. Doch obwohl sich viele Produkte aus Lateinamerika für einen Schutz durch Geographische Herkunftsangaben gut eignen, erfordert die Integration von lokalen Bedürfnissen, kulturellen Traditionen und sozialen Aspekten weitere Forschung. Auch andere verfügbare Kennzeichen zu identifizieren sowie deren Schnittstellen, Stärken und Schwächen zu untersuchen, würde dabei helfen, das System als Ganzes besser zu verstehen.


Die Tatsache, dass der Schutz Geographischer Herkunftsangaben zunehmend Gegenstand von Freihandelsabkommen unter Beteiligung lateinamerikanischer Länder ist, könnte darüber hinaus deren Handlungsspielraum für die Festlegung nationaler und regionaler Ansätze beschränken. Eine weitere Untersuchung von Verpflichtungen aus Freihandelsabkommen könnte dementsprechend Herausforderungen bei der Umsetzung auf nationaler Ebene aufzeigen.


Im Rahmen der 2018 ins Leben gerufenen Initiative “Smart IP for Latin America” (SIPLA) des Instituts ergab sich deswegen schnell, dass Geographical Indications ein Gebiet sind, das weiterer Erforschung bedarf. Erster Schritt im Rahmen des SIPLA-Projekts “Collective Distinctive Signs” war deswegen eine Untersuchung von GIs in Form einer rechtsvergleichenden Bewertung der Systeme neun ausgewählter Staaten in der Region. Angesichts der Fülle an Informationen, die für die Forschenden für ihre Arbeit von Interesse sind, hat das SIPLA-Team einen umfassenden Fragebogen entworfen, der von Vertretern aus Argentinien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Costa Rica, Mexiko, Paraguay, Peru und Uruguay beantwortet wurde. Der Fragebogen rückte insbesondere die Schutzsysteme für Geographische Herkunftsangaben sowie auch andere bestehend Kennzeichen in den Fokus. Er enthielt Fragen zu nationalen, regionalen und lokalen Rechtsvorschriften, sofern entsprechende Regeln existieren, sowie zur Rechtsprechung.


Auf Basis der Informationen, die durch den Fragebogen gewonnen wurden sowie durch die Analyse der Freihandelsabkommen, denen die ausgewählten Länder angehören, wurde ein umfassender “General Comparative Report” erstellt. Schließlich wurden in den verschiedenen nationalen und regionalen Systemen gemeinsame Elemente identifiziert. Aus diesen Elementen ergeben sich mindestens zwei mögliche Forschungsbereiche, die in Zukunft weiterentwickelt werden sollten. Der erste bezieht sich auf weitere Kennzeichnungsmöglichkeiten neben Geographical Indications – insbesondere Zeichen für den kollektiven Gebrauch, von denen vor allem Kleinbauern und kleinere Produzenten profitieren können. Der zweite befasst sich mit der weiteren Erforschung des Schutzniveaus von Geografischen Herkunftsangaben mit Fokus auf die Einbeziehung von Standards aus dem TRIPS-Abkommen und Verpflichtungen aus Freihandelsabkommen auf nationaler und regionaler Ebene.


Ausführliche Informationen über die Forschungsinitiative finden Sie im ePaper des aktuellen Tätigkeitsberichts.

Studie  |  29.07.2021

Welche Patente sind wirklich standardessenziell? Eine automatisierte semantikgestützte Analyse

Die Identifizierung von standardessenziellen Patenten (SEPs) stellt eine erhebliche Herausforderung für Forschende, Praktiker und politische Entscheidungsträger dar. In einer neuen Studie wird ein semantikgestützter Ansatz zur Bewertung der geltend gemachten Standardessenzialität von deklarierten Patenten vorgestellt.

Automatisierte Analyse der Textähnlichkeit zwischen Patenten und Standards

SEPs spielen für die technische Koordination in Standardisierungsorganisationen eine zunehmend wichtige Rolle. Es bleibt jedoch unklar, ob ein deklariertes Patent wirklich standardessenziell ist. Strategische Anreize können Patentinhaber in ihrer Entscheidung beeinflussen, Standardessenzialität geltend zu machen. Dies kann zu rechtlichen und vertraglichen Konflikten während der Standardsetzung und den anschließenden Lizenzverhandlungen führen. Die neue Studie von  Lorenz Brachtendorf, Fabian Gaessler und Dietmar Harhoff befasst sich mit dieser Problematik und stellt eine automatisierte, semantikgestützte Methode zur Bestimmung der Standardessenzialität von Patenten vor.


Die manuelle Prüfung von Patenten auf Standardessenzialität erfordert ein hohes Maß an technischem Wissen und zeitlichem Aufwand. Im Gegensatz dazu ist die vorgestellte Methode einfach und kostengünstig in der Anwendung. Der skalierbare, objektive und replizierbare Ansatz ermöglicht vielfältige praktische Anwendungen. Die Autoren veranschaulichen die Nützlichkeit der Methode bei der Bestimmung des Anteils tatsächlicher SEPs in Patentportfolios von Firmen für mehrere globale Mobilfunkstandards. Die Ergebnisse offenbaren erhebliche Unterschiede auf Unternehmensebene, die statistisch signifikant und ökonomisch bedeutsam sind.


Neben praktischen Anwendungen kann die Methode auch Erkenntnisse von politischer Relevanz liefern. So kann beispielsweise untersucht werden, ob bestimmte politische Maßnahmen ihr Ziel erreichen, patentbedingte Konflike im Standardisierungs- und Umsetzungsprozess abzuschwächen.


Diese Studie leistet einen wichtigen Beitrag zur Vereinfachung der Ex-ante-Koordinierung zwischen Technologieanbietern und Implementierern von technischen Standards. Dies ist von besonderer Bedeutung, da standardisierte Lösungen für die Informations- und Kommunikationstechnologien zu einem wichtigen Aspekt der technologischen Innovation geworden sind und in vielen Branchen unserer Wirtschaft allgegenwärtig sind. Die Studie wird demnächst präsentiert auf der USPTO 14th Annual Conference on Innovation Economics sowie auf der EPIP 2021.


Zum Projektposter (in englischer Sprache).


Zur ausführlichen Projektbeschreibung (in englischer Sprache) im Tätigkeitsbericht 2018 - 2020.


Hören Sie den EPO Podcast – Talk Innovation “Research into Patents – Drilling Deeper on the Standard Essentiality of Patents” mit Dietmar Harhoff (in englischer Sprache).


Publikationen


Brachtendorf, Lorenz; Gaessler, Fabian; Harhoff, Dietmar (2020). Approximating the Standard Essentiality of Patents – A Semantics-Based Analysis. Final Report for the European Patent Office Academic Research Programme.


Brachtendorf, Lorenz; Gaessler, Fabian; Harhoff, Dietmar (2020). Truly Standard-Essential Patents? A Semantics-Based Analysis. CEPR Discussion Paper No. DP14726 und CRC Discussion Paper No. 265.

Stellungnahme  |  07.05.2021

Covid-19 und die Rolle des Geistigen Eigentums

Stellungnahme des Max-Planck-Instituts für Innovation und Wettbewerb vom 7. Mai 2021

Autorinnen und Autoren der Stellungnahme
Autorinnen und Autoren der Stellungnahme (v.l.n.r): Peter R. Slowinski, Daria Kim, Reto M. Hilty, Matthias Lamping, Pedro Henrique D. Batista, Suelen Carls

Unterzeichnung des Positionspapiers


Wenn Sie die Stellungnahme als Unterstützer unterzeichnen möchten, senden Sie uns bitte Ihren Namen, Titel, Zugehörigkeit und Position an covid(at)ip.mpg.de oder nutzen Sie folgendes Formular.


Mit Ihrer Unterstützung erklären Sie sich mit der Veröffentlichung Ihrer Angaben (mit Ausnahme der E-Mail-Adresse) auf unserer Internetseite einverstanden. Sie können dieses Einverständnis jederzeit widerrufen.

Covid-19 and the Role of Intellectual Property, Position Statement of the Max Planck Institute for Innovation and Competition of 6 May 2021 on the Current Debate , Reto M. Hilty,  Pedro Henrique D. Batista, Suelen Carls, Daria Kim,Matthias Lamping, Peter R. Slowinski
Stellungnahme  |  07.05.2021

Covid-19 und immaterielle Güter: 10 Argumente gegen das Aussetzen von Schutzrechten

Behindern Patente die globale Verfügbarkeit von Impfstoffen gegen Covid‑19? In einem Positionspapier mit zehn Punkten argumentiert eine Forschungsgruppe des Instituts, warum das Aussetzen von Schutzrechten weder die Impfstoffproduktion ankurbeln noch zu einer gerechteren Verteilung der Vakzine führen würde.

Covid-19 and the Role of Intellectual Property, Position Statement of the Max Planck Institute for Innovation and Competition of 6 May 2021 on the Current Debate , Reto M. Hilty,  Pedro Henrique D. Batista, Suelen Carls, Daria Kim,Matthias Lamping, Peter R. Slowinski
Die Forschungsgruppe mit Peter R. Slowinski, Daria Kim, Reto M. Hilty, Matthias Lamping, Pedro Henrique D. Batista und Suelen Carls (v.l.n.r.)

Auch nahezu ein halbes Jahr, nachdem erste Impfstoffe gegen Covid‑19 auf den Markt gekommen sind, bleiben diese knapp. Bereits im Oktober 2020 haben Indien und Südafrika deswegen bei der Welthandelsorganisation (WTO) einen Antrag gestellt, während der Pandemie Schutzrechte, die im Zusammenhang mit der Vorbeugung, Eindämmung oder Behandlung von Covid‑19 stehen, vorübergehend aufzuheben. Der Antrag sieht vor, dass die Rechte so lange ausgesetzt werden, bis ein Großteil der Weltbevölkerung durch Impfungen gegen das Virus immunisiert werden konnte. Eine Entscheidung im Rat der WTO müsste einstimmig getroffen werden. Inzwischen unterstützen zwar die USA den Vorstoß; es gibt aber auch gewichtige Gegenstimmen.


Mit ihrem Antrag verfolgen Indien und Südafrika ohne Zweifel Ziele, die an sich Unterstützung verdienen. Eine effiziente Antwort auf die Pandemie erfordert in der Tat einen „schnellen Zugang zu bezahlbaren medizinischen Produkten“ und eine weltweite Zusammenarbeit. Das Aussetzen aller Schutzrechte, die im Rahmen des TRIPS-Abkommens geregelt sind, dürfte jedoch weder eine notwendige noch eine geeignete Maßnahme sein, um diese Ziele zu erreichen.


„Die Forderung, Patente für Covid‑19-Impfstoffe auszusetzen, würde nicht nur keine Abhilfe von der aktuellen Impfstoffknappheit schaffen, es wäre sogar ein brandgefährliches Experiment“, sagt dazu Reto M. Hilty, Direktor des Instituts und Leiter einer Forschungsgruppe, die unter anderem untersucht hat, wie Schutzrechte die Produktion und Verteilung von Impfstoffen und Medikamenten gegen Covid‑19 beeinflussen und welche Auswirkungen sie auf deren Preise haben können. In einem Positionspapier hat die Gruppe zehn Punkte zusammengefasst, warum Schutzrechte die Überwindung der Pandemie bislang eher gefördert als behindert haben dürften, und warum ihr Aussetzen der internationalen Gemeinschaft weder während der Pandemie noch danach einen Vorteil bringen wird.


Das komplette Positionspapier finden Sie hier.


Einen kompakten Überblick über die Argumente finden Sie hier.


Ein YouTube-Video der Diskussion „Impfstoff für alle! Was lässt sich tun?“, die am 1. Juli im Rahmen des Max-Planck-Forums unter Teilnahme von Reto M. Hilty stattfand, finden Sie hier.


Liste der Unterstützer



Unterzeichnung des Positionspapiers


Wenn Sie die Stellungnahme als Unterstützer unterzeichnen möchten, senden Sie uns bitte Ihren Namen, Titel, Zugehörigkeit und Position an covid(at)ip.mpg.de oder nutzen Sie folgendes Formular.


Mit Ihrer Unterstützung erklären Sie sich mit der Veröffentlichung Ihrer Angaben (mit Ausnahme der E-Mail-Adresse) auf unserer Internetseite einverstanden. Sie können dieses Einverständnis jederzeit widerrufen.

Forschungsgruppe „Regulierung der digitalen Wirtschaft“, Position Statement „Artificial Intelligence and Intellectual Property Law“ Max Planck Institut für Innovation und Wettbewerb, Reto M. Hilty, Josef Drexl, Daria Kim
Studie  |  21.04.2021

Forschungsgruppe erarbeitet Analyse zu Künstlicher Intelligenz und IP-Rechten

Der zunehmende Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) hat das Potenzial, die Rahmen­bedingungen des bestehenden IP-Systems zu verändern. In einer ausführlichen Untersuchung gibt eine Forschungsgruppe der juristischen Abteilungen des Instituts einen breit angelegten Überblick über Fragestellungen, die sich an der Schnittstelle von KI und Immaterialgüterrechten ergeben.

Forschungsgruppe „Regulierung der digitalen Wirtschaft“, Position Statement „Artificial Intelligence and Intellectual Property Law“ Max Planck Institut für Innovation und Wettbewerb, Reto M. Hilty, Josef Drexl, Daria Kim
Die Forschungsgruppe „Regulierung der digitalen Wirtschaft“ untersucht die Auswirkungen Künstlicher Intelligenz auf das Immaterialgüterrecht, Foto: Myriam Rion

Je stärker Künstliche Intelligenz (KI) die digitale Wirtschaft und Innovation prägt, desto nachdrücklicher stellen sich Fragen nach dem Zusammenspiel von KI und Immaterialgüterrechten. Denn um ihr Potential zur Förderung von Innovation und Wohlstand wirklich ausschöpfen zu können, braucht KI einen geeigneten rechtlichen Rahmen, der sich auch auf Schutzrechte erstreckt.


Bislang fokussiert sich die politische und rechtliche Diskussion dazu primär auf den Output, also das, was durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz oder zumindest unterstützt durch sie generiert wird. Um beurteilen zu können, inwieweit das bestehende IP-System seine Funktion unter den Rahmenbedingungen dieser rasant voranschreitenden Technologie noch erfüllen kann, ist jedoch eine umfassendere Sichtweise notwendig. Zu berücksichtigen sind insbesondere die einzelnen Schritte eines KI-getriebenen Innovationszyklus, in denen IP-Rechte eine Rolle spielen können.


Breit angelegte Analyse


Vor diesem Hintergrund hat die Forschungsgruppe „Regulierung der digitalen Wirtschaft“ der juristischen Abteilungen des Instituts unter Leitung der beiden Direktoren Josef Drexl und Reto M. Hilty eine umfassende Analyse erarbeitet. Das Papier identifiziert mögliche Fragestellungen, die sich an der Schnittstelle zwischen Künstlicher Intelligenz und IP-Rechten ergeben können, und zeigt verschiedene Richtungen auf, wie Antworten gefunden werden könnten.


Hinsichtlich der Gliederung orientiert sich die Analyse an den drei Ebenen, die im Hinblick auf Innovations- oder auch Kreationsprozesse auseinanderzuhalten sind. Zunächst werden Fragestellungen im Hinblick auf den für die Entwicklung von KI-Systemen erforderlichen Input untersucht. Der zweite Teil des Papiers befasst sich mit möglichem Schutz von KI als Tool. Der dritte Teil rückt Schutzrechte für KI-gestützten oder KI-generierten Output in den Mittelpunkt.


Europäisches Immaterialgüterrecht im Fokus


Die Untersuchung konzentriert sich auf das materielle europäische Immaterialgüterrecht, insbesondere auf das Urheber-, Patent- und Geschmacksmusterrecht, sowie den sui-generis-Schutz für Datenbanken und den Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Letztere können schon auf der Inputseite eine Rolle spielen, vor allem aber auch bezogen auf KI-Tools, zumal die traditionellen IP-Systeme wenig auf die dort zu berücksichtigenden Besonderheiten ausgerichtet erscheinen. Schutzrechte spielen aber vor allem mit Bezug darauf eine Rolle, was unter Einsatz von KI generiert wird; dazu gehören auch Aspekte wie die Zuweisung von Rechten oder ggf. des Schutzumfangs.


Das Papier baut auf den aktuellen Stand jener Erkenntnisse auf, welche die Forschungsgruppe bereits in früheren Untersuchungen, insbesondere zu technischen Zusammenhängen, erarbeitet hat. Gestützt darauf werden nun jene Fragen eruiert, die weitere – insb. auch interdisziplinäre – Forschung erfordern werden. Insgesamt betont das Papier die Notwendigkeit einer holistischen Sichtweise, dies allem voran mit Blick darauf, dass bei IP-getriebener Innovation oder Kreation verschiedene IP-Rechte eine Rolle spielen und sich überlagern können.


Das komplette Paper “Artificial Intelligence and Intellectual Property Law” finden Sie hier.